Anlässlich des Jahrestags des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland am 26. März 2009 fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte, Menschen mit Behinderungen selbstbestimmtes Leben und Wohnen zu ermöglichen.
„Nach wie vor können Menschen mit Behinderungen von ihrem Recht, selbst über Wohnort und Wohnform zu bestimmen, nur unzureichend Gebrauch machen“, erklärt Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Es fehle bundesweit an bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum. Vor allem in den Großstädten habe sich die Situation in den letzten Jahren dramatisch zugespitzt. Zudem sei es bislang häufig nicht möglich, erforderliche Unterstützung auch außerhalb von Einrichtungen zu erhalten. Dies betreffe insbesondere Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. „Staatliche Stellen und die Freie Wohlfahrtspflege sollten gemeinsam daran arbeiten, stationäre Wohneinrichtungen schrittweise und flächendeckend durch offene, flexible Wohnformen mit wohnortnahen Unterstützungsangeboten zu ersetzen“, so Aichele.
Der Leiter der Monitoring-Stelle weist zudem darauf hin, dass der öffentliche Raum immer noch nicht inklusiv genug gestaltet ist. „In den letzten Jahren sind zwar Fortschritte erzielt worden, beispielweise beim öffentlichen Nahverkehr, doch bis Menschen mit Behinderungen Sportanlagen, Kulturveranstaltungen, Einkaufsmöglichkeiten und andere Einrichtungen genauso nutzen können wie alle anderen, ist noch viel zu tun“, so Aichele weiter.
Laut dem aktuellen Teilhabebericht der Bundesregierung stieg die Zahl der Menschen mit Behinderungen, die in stationären Wohnformen leben, zwischen 2008 und 2014 um 16 Prozent. Zudem gibt es große regionale Unterschiede: Nur in Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen erhält bereits mehr als die Hälfte der Leistungsberechtigten ambulante Eingliederungshilfe.
Nach Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention haben Menschen mit Behinderungen das Recht, gleichberechtigt mit anderen ihren Wohnort wählen zu können und sind nicht zu einer bestimmten Wohnform verpflichtet.
Das Institut ist mit dem Monitoring der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention betraut worden und hat hierfür die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention eingerichtet. Es hat gemäß der UN-Konvention (Artikel 33 Abs. 2 UN-BRK) den Auftrag, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und die Umsetzung der Konvention in Deutschland zu überwachen.
Noch viel Luft nach oben
Anlässlich des Inkraftretens der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland vor acht Jahren am 26. März 2009, erklärt Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Auch acht Jahre nachdem die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft getreten ist, werden die Menschenrechte behinderter Menschen in unserem Land eingeschränkt.
Das gerade verabschiedete Bundesteilhabegesetz wird die Situation für einige behinderte Menschen nur kleinteilig verbessern. Doch in vielen Bereichen gibt es weiterhin Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten. So ermöglicht das Teilhabegesetz, dass behinderte Menschen nach wie vor zu einem Leben in einem Heim gezwungen werden können. Obwohl wir wissen, dass die Zustände dort oft menschenunwürdig sind und behinderte Menschen, die in Einrichtungen leben, mehr Gewalt erleben als die Durchschnittsbevölkerung.
Auch der aktuelle Teilhabebericht zeigt, dass gleichberechtigte Teilhabe und gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen nicht umgesetzt sind. Beispielsweise ist die Situation für besonders verletzliche Gruppen wie behinderte Geflüchtete hochproblematisch. Wegen der diskriminierenden Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes sind sie medizinisch unterversorgt. Das verstößt gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, wonach alle Menschen mit Behinderung die bestmögliche Gesundheitsversorgung erhalten müssen.
Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist noch viel Luft nach oben. Es ist unsere Aufgabe, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und die Situation behinderter Menschen zu verbessern“.
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