In Berlin leben Menschen aus aller Welt und mit sehr unterschiedlichen Lebensvorstellungen sowie Befähigungen. Vielfalt und Toleranz – das macht unsere Stadt aus. Dass dabei auch die Belange von Menschen mit Behinderung Gehör finden, ist auch ein Verdienst der Berliner Behindertenzeitung. Seit nun 25 Jahren gibt die Zeitung denjenigen eine Stimme, die nicht immer so stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Zu diesem Jubiläum gratulieren wir Grüne herzlich. Zugleich gilt unser Dank und unsere Bewunderung den vielen Menschen, die sich in der Berliner Behindertenbewegung engagiert für ein besseres Leben für Menschen mit Behinderung eingesetzt haben oder dies heute tun.
Dass Behindertenpolitik heute im politischen Alltag eine wichtige Rolle spielt, war nicht immer so. In Berlin mussten viele Schritte mühsam erkämpft werden. Seit den 90er Jahren sind ein Benachteiligungsverbot und die soziale Sicherungspflicht in der Verfassung von Berlin verankert, seit 1999 sind viele Rechte im Landesgleichberechtigungsgesetz gesichert. Das sind wesentliche Meilensteine der Behindertenpolitik. Heute gilt es insbesondere, die 2008 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland und in Berlin umzusetzen. Wir erinnern uns noch gut an die Euphorie, die unter den Betroffenen, in den Verbänden und in Teilen des Parlaments herrschte, als die Konvention 2006 verabschiedet wurde. Endlich schien eine verbindliche Gleichstellung in allen Rechtsbereichen zum Greifen nah.
Heute, Jahre später, müssen wir ein ernüchterndes Fazit ziehen. Ob Wohnen, Bildung oder Arbeit – in vielen Bereichen gibt es noch parallele Strukturen, die einer wirklich inklusiven Gesellschaft im Wege stehen. So hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen erst in diesem Frühjahr die Umsetzung der Konvention in Deutschland deutlich kritisiert.
Vor allem in Berlin fällt die Bilanz mager aus. Leider erleben wir immer wieder, wie der Senat und die rot-schwarze Koalition das Thema Inklusion mehr als stiefmütterlich behandeln. Es ist nicht verwunderlich, dass sich Schulen, Eltern und Lehrkräfte bei der Umsetzung der Inklusion oft alleingelassen und überfordert fühlen. Zudem endet die Teilhabe am Arbeitsmarkt von Menschen mit Behinderungen häufig in einer Behindertenwerkstatt. Überleitungen zu Betrieben auf dem ersten Arbeitsmarkt finden so gut wie gar nicht statt. Der Senat weigert sich, das „Budget für Arbeit“ einzuführen, mit dem andere Bundesländer schon erfolgreich die Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gefördert haben.
Was den Wohnraum betrifft, so droht der Schutz von Barrierefreiheit bei der anstehenden Novellierung der Bauordnung hinter den bisherigen Standard zurückzufallen. Das ist verheerend, denn es wird in Berlin vielerorts neu gebaut werden. Dabei wäre Barrierefreiheit kostengünstig umzusetzen. Neubau käme dann allen Menschen zu Gute. Der SPD/CDU-Senat scheint darauf aber keinen Wert zu legen.
So bleibt nach 25 Jahren Behindertenbewegung und Behindertenzeitung in Berlin festzuhalten, dass schon viel erreicht wurde, dass wir bei der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse aber noch längst nicht am Ziel sind. Dabei ist dies eine Kernaufgabe, wenn es um die Zukunftsfähigkeit Berlins geht.
Heute zieht unsere Stadt Gäste aus aller Welt in ihren Bann. Nachhaltig kann dieser Erfolg jedoch nur sein, wenn unsere Infrastruktur und unser Verkehr auch wirklich inklusiv werden. Denn auch für den Tourismus gewinnt die Barrierefreiheit zunehmende Bedeutung. Und nicht zuletzt werden aufgrund des demografischen Wandels auch alle Berlinerinnen und Berliner die Vorteile einer barrierefreien Infrastruktur genießen beziehungsweise auf sie angewiesen sein.
Die Inklusive Gesellschaft bleibt eine große Herausforderung. Dafür braucht es die Behindertenbewegung und die Behindertenzeitung in Berlin. Wir freuen uns, in Ihnen gute Partner für ein besseres, inklusives Berlin zu haben. Dafür wird sich die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus weiterhin mit aller Kraft einsetzen.