„Endlich ist es soweit“, freut sich Jane Morgenthal, die Koordinatorin des Projektes „Alt werden mit Behinderung“ (AwmB). Nach umfangreichen Vorbereitungen wird das Projekt am 25. April im Rathaus Mitte erstmals einem größeren Kreis vorgestellt. Im Laufe des Jahres folgen noch weitere Veranstaltungen. Zudem hat gerade die Projektphase begonnen, in der Menschen mit Behinderung als Mitarbeiter gewonnen werden sollen. Man sucht rege und reisebereite Menschen mit Behinderung, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie jeweils gemeinsam mit einem Studenten oder einer Studentin der Alice-Salomon-Hochschule Berlin (ASH) ältere bis hochbetagte Menschen mit Behinderungen nach ihrer Lebenssituation befragen. (Siehe hierzu auch den Aufruf des ABiD auf dieser Seite). Ein Hauptaugenmerk der Studie ist dabei das Thema Selbstbestimmung im Alter. Das Ziel des Projektes ist es, aus den Forschungsergebnissen der wissenschaftlichen Studie konkrete Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten.
„Historische“ Situation
Das Thema der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft wirft nicht nur für die Mitgliedsverbände des ABiD – zu denen auch der Berliner Behindertenverband zählt – vitale Fragen auf. Denn der demographische Wandel verläuft generell unter den Menschen mit Behinderung viel rasanter, als in der Gesamtbevölkerung. Zum einen führt die gestiegene Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung dazu, dass immer mehr Menschen mit altersbedingten Einschränkungen behindert sind. Zum anderen sorgt der medizinische Fortschritt zu einer tatsächlich sprunghaft gestiegenen Lebenserwartung der Menschen mit Behinderung. Der wichtigste Grund ist aber, dass durch die Euthanasie-Verbrechen des Nazi-Regimes eine ganze Generation von Menschen mit Behinderungen ausgelöscht wurde. Gegenwärtig erlebt nun die Bundesrepublik mit den nach 1945 Geborenen erstmals, wie eine ganze Generation von Menschen mit Behinderung ins Rentenalter eintritt. Darauf war und ist niemand vorbereitet. Weder die Sozialhilfeverbände, noch Bund, Länder oder Gemeinden.
Besondere Problemlage
Gleichzeitig stehen gerade für Menschen, die schon lange vor dem „Rentenalter“ mit einer Behinderung gelebt haben, oft viel einschneidendere Veränderungen ins Haus, als ihren Altersgenossen ohne Beeinträchtigungen. So wird es beispielsweise mit zunehmenden Alter immer schwieriger, Leistungen der Eingliederungshilfe zu erhalten. Selbst wenn die Leistungsvoraussetzungen weiterhin bestehen, droht in vielen Fällen die Umlenkung in die Pflegebedürftigkeit. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass die Grenzen zwischen Rehabilitation, Eingliederung und Pflege nicht klar definiert sind. Von den zuständigen Behörden werden sie oft ganz unterschiedlich ausgelegt. Das führt bei den Betroffenen natürlich zu einer großen Verunsicherung und stellt alle Akteure – von den Selbsthilfeorganisationen über die Sozialverbände und Träger bis hin zu Ämtern und Behörden – vor große Herausforderungen. Um sie zu bewältigen sind aber fundierte Informationen nötig. Und genau hier setzt das ABiD Projekt an. Es möchte die Lebensumstände älterer bis hochbetagter Menschen erforschen. Aus den gewonnenen Daten sollen konkrete Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden, damit Menschen mit Behinderung auch im Alter selbstbestimmt leben können.
Eine Mammutaufgabe
Damit die Ergebnisse der Studie auch tatsächlich Grundlage für Vorschläge zu strukturellen Verbesserungen sein können, hat Prof. Dr. Swantje Köbsell die wissenschaftliche Betreuung des Projektes übernommen. Sie ist nicht nur Inhaberin des Lehrstuhls für Disability Studies an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin (ASH), sondern selbst auch Rolli-Fahrerin. Sie wird neben vielen anderen Aufgaben auch die Schulung der Interviewer/-innen im Juli anleiten. Voraussichtlich ab September sollen dann 100 ältere bis hochbetagte Menschen mit Behinderung in den neuen Bundesländern befragt werden. Auch die anschließende Dokumentation und Auswertung der Interviews, sowie die Erarbeitung konkreter Handlungsoptionen und Verbesserungsvorschläge wird einen enormen Aufwand erfordern und voraussichtlich erst Ende 2016 abgeschlossen sein. Um diese Mammutaufgabe zu bewältigen, hat der ABiD ein Projekt-Team aufgebaut, dem beispielsweise auch das BBV-Mitglied Kathleen Schmidt angehört. Sie ist nach wie vor mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit eine große Stütze für den BBV. Viele Mitglieder kennen sie persönlich, was vielleicht auch die Kontaktaufnahme zum Projekt erleichtert. Aber auch alle Nicht-BBV-Mitglieder sind dem Mitarbeitern des Projektes „Alt werden mit Behinderung“ herzlich willkommen. Kathleen Schmidt nimmt gerne Anmeldungen von Interessierten entgegen, die das Projekt als Interviewer/-in unterstützen wollen.
- Die erste Info-Veranstaltung des Projektes findet am Samstag, den 25. April 2015 statt und steht allen Interessierten offen.
Zeit: voraussichtlich 13.30 Uhr bis 15:30 Uhr
Ort: Rathaus Mitte, Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
Kontakt: „Alt werden mit Behinderung“ (AwmB), Tel: 030 / 28 09 54 27, Fax: 030 / 27 59 34 30 Email: awmb@abid-ev.de