Änderungen der Berliner Bauordnung zwecks Herstellung von Barrierefreiheit hat eine lange Tradition. Ein Rückblick und eine Bestandsaufnahme.
Am 7. September 1995, knapp drei Jahre nach Verabschiedung der Leitlinien von einer behindertengerechten Stadt, sollte im Berliner Abgeordnetenhaus nun erstmals über verbindliche Änderungen in der Berliner Bauordnung zur Herstellung von Barrierefreiheit debattiert werden. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag der damals großen Koalition von CDU und SPD sollte nunmehr in zweiter Lesung beschlossen werden. Im damaligen Sprachgebrauch redete man statt von Barrierefreiheit vom behindertengerechten Bauen. Dies wurde dann auch von den Vertretern der damaligen Oppositionsfraktionen kritisiert. Die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Elisabeth Ziemer verteidigte dann auch den weitergehenden Antrag ihrer Fraktion. Danach sollten sämtliche Neubauten behindertengerecht ausgestaltet sein. Auch bestehende Bauten sollten behindertengerecht umgebaut werden. Der Entwurf der großen Koalition enthalte hingegen nur „kosmetische Änderungen, die wenige Bereiche betreffen.“ Die Abgeordnete der PDS-Fraktion Michela Michels machte sich die Kritik ihrer Kollegen zu Eigen. Sie verwies in ihrem Beitrag dann auch auf einen wesentlichen Schwachpunkt des Gesetzes, wonach bei öffentlichen Gebäuden nicht der gesamte, sondern nur jener Bereich behindertengerecht gestalte sein müsse, der von einem entsprechenden Kreis genutzt würde. Sie konstatierte, der vorgelegte Entwurf würde den Möglichkeiten der Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechtes von Menschen mit Behinderungen nicht gerecht. Demzufolge würde sich ihre Fraktion der Stimme enthalten. Für die Koalitionsfraktionen wies der CDU-Abgeordnete Hartmut Klleja auf die begrenzten finanziellen Möglichkeiten hin. Man könne Bauherren nicht vorbehaltslos zumuten, erhebliche finanzielle für den behindertengerechten Bau aufzuwenden. An die Grünen gewandt sagte er „Sie offenbaren sich hiermit eher als Behinderer und als Partei, die Investoren aus dem Lande Berlin vertreibt, als die Partei, die den Behinderten hilft.“ Auch der baupolitische Sprecher der SPD –Fraktion Otto Edel verteidigte den Entwurf der großen Koalition der dann auch so beschlossen wurde.
Die Zeiten ändern sich – oder?
Etwas mehr als 20 Jahre später wurde am 18. Februar 2016 erneut über Änderungen der Berliner Bauordnung debattiert. Wieder lag ein Gesetzentwurf einer großen Koalition vor, der nun in erster Lesung beraten werden sollte.
Der Abgeordnete der Piraten Wolfram Prieß begrüßte die Regelungen zum Wohnungsbau. Der Entwurf sieht jetzt verbindliche Quoten für die Anzahl von barrierefreien Wohnungen vor. Allerdings vertrat Prieß die Ansicht, daß barrierefrei nicht gleichbedeutend mit rollstuhlgerecht sei. Er verwies auf eine entsprechend spezielle DIN-Norm und forderte insoweit die Quote zu präzisieren bzw. sämtliche Wohnungen barrierefrei bzw. rollstuhlgerecht zu gestalten. Der Abgeordnete der Grünen-Fraktion Andreas Otto, zugleich Vorsitzender des Bauausschusses sprach sich für eine Befassung des Sozialausschusses mit dem vorliegenden Entwurf aus. Dort sei gewährleistet, daß auch die Menschen mit Behinderungen zu Wort kämen. Die SPD-Abgeordnete Iris Spranger hob in ihrem Beitrag die Bedeutung der gesetzlichen Neuregelungen zur Barrierefreiheit hervor. Die betreffe die Verpflichtung zu barrierefreien Kundentoiletten in Verkaufsstätten, barrierefreie Abstellräume für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwagen und anderes mehr. Die ehemalige Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher zeigte sich für die Linksfraktion verhaltend pessimistisch. Sie begrüßte zwar grundsätzlich die Regelungen zum Wohnungsbau, kritisierte aber die Einschränkungen bei öffentlichen Gebäuden, wonach nur der Benutzer- und Besucherbereich barrierefrei gestaltet sein müsse. Dies könne zur Benachteiligung von behinderten Arbeitnehmern führen. Auch kritisierte sie die generelle Genehmigungsfreiheit nach § 62 des vorliegenden Entwurfes. In der Tat bleibt hier abzuwarten, inwieweit sich diese Regelung hindernd auf das barrierefreie Bauen auswirkt. Der Vertreter der CDU-Fraktion ging auf entsprechende Regelungen zur Barrierefreiheit nicht ein. Wie bereits 1995 ergriff auch in dieser Debatte kein Mitglied des Senats das Wort.