Das Roemer- und Pelizaues-Museum eröffnete eine barrierefreie Dauerausstellung. An der Entstehung wirken Neurowissenschaftler und Übersetzer der Universität Hildesheim mit. Sie übersetzen komplexe Texte über Altägypten, Altperu und die Erdgeschichte in leicht verständliche Sprache. Etwa über Höhlenmalerei und Pharaonen.
Psychologen haben Präsentationsweisen untersucht, wie Ausstellungsobjekte von Menschen mit Behinderung wahrgenommen und Räume barrierefrei gestaltet werden können. Die Dauerausstellung ist bundesweit besonders, denn bisher sind in der Museumslandschaft barrierefreie Ausstellungen häufig zeitlich begrenzt und meist nur für einzelne Gruppen ausgerichtet.
In der neuen Dauerausstellung, über Altägypten, Altperu, China, Frühe Menschen und die Erdgeschichte setzt das Museum auf Barrierefreiheit und bietet ein Guidesystem für Blinde, eine Bodenlinie hilft bei der Orientierung. „Für Gehörlose stehen Informationen in Gebärdensprache zur Verfügung und für Rollstuhlfahrer haben wir auf geeignete Betrachtungs- und Greifhöhen geachtet. Texte sind in Groß- und Brailleschrift verfasst, auf Monitoren laufen Informationen in Gebärdensprache. Und Assistenzhunde sind natürlich erlaubt“, beschreibt Marion Hesse, die gemeinsam mit Julia Kruse die Ausstellung kuratiert, einige Maßnahmen.
Die Objekte können angefasst werden. In „Sinnesführungen“ leiten Fachleute durch die Kultur- und Erdgeschichte – dort kann man hören, sehen, tasten. Und das Museum bietet Führungen in Gebärdensprache, in leicht verständlicher Sprache und für blinde Menschen an.
Ermöglicht wurde die Dauerausstellung durch das Niedersächsische Sozialministerium. Daneben unterstützen viele weitere Sponsoren das Projekt. Die Mitarbeiter des Museums begeben sich mit der Dauerausstellung auf einen Pionierweg, denn bisher seien „wenige einzelne Sonderausstellungen, zeitlich begrenzt und für eine bestimmte Gruppe ausgerichtet, die Regel in der Museumslandschaft“, so Hesse. „Wir wollen Kultur für alle nicht punktuell, sondern langfristig anbieten.“
Wissenschaftler und Studierende der Universität Hildesheim haben an der Entstehung der Ausstellung maßgeblich mitgewirkt. So haben sich Psychologiestudierende um Kristian Folta-Schoofs zwei Semester lang mit barrierefreier Raumgestaltung und der Auswahl von Ausstellungsobjekten, die mit allen Sinnen erfasst werden können, auseinandergesetzt. Dabei haben die Studierenden die Erfordernisse barrierefreien Lernens bei Menschen mit Behinderung diskutiert und Präsentationsweisen von Objekten daraufhin untersucht, in welchem Ausmaß sie ihren speziellen Wahrnehmungs- und Lernbedürfnisse gerecht werden können.
„Durch die Zusammenarbeit mit der Uni haben wir gelernt, unsere Annahmen und Routinen (‚Das machen wir Kuratoren immer so‘) zu hinterfragen“, sagt Marion Hesse, die von Haus aus Ägyptologin ist. „Pharao, Grabreliefs und Hieroglyphen – wir lassen diese Fachbegriffe nun nicht mehr so stehen, sondern erklären, was das ist. Zunächst wollten wir unheimlich viele Inhalte in die Ausstellung nehmen. Das haben wir reduziert und versuchen nun, die Kernpunkte deutlicher darzustellen.“
In einer weiteren Arbeitsgruppe wurden kulturelle Informationen für Menschen mit Behinderungen, mit geringen Deutschkenntnissen oder Lernschwierigkeiten erstellt. Christiane Maaß und Isabel Rink von der Forschungsstelle Leichte Sprache der Uni Hildesheim wissen, wie man schwere Texte verständlich macht. Darum haben vier Studierende aus dem Studiengang „Medientext und Medienübersetzung“ sechzehn kurze Texte, etwa über Alt-Peru, Alt-Ägypten und Naturkunde, in Leichte Sprache übersetzt.
Infotext über die frühen Menschen für Museumsbesucher in Leichter Sprache, übersetzt vom Studiengang „Medientext und Medienübersetzung“, Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim; © Isa Lange/Uni Hildesheim
„Eine Herausforderung ist, die Informationen über Kulturgüter aus tiefster Vergangenheit zu übersetzen und den Leser in die entsprechende Epoche zu holen. Zudem ist die Sprache mitunter sehr fachspezifisch und hat auch metaphorische und manchmal sogar mystische Anteile“, sagt Isabel Rink, selbst Absolventin des Studiengangs. „Wir wollen aus sprachwissenschaftlicher Sicht etwas zum barrierefreien Museum beitragen. Museumstexte haben oft eine recht ausgeprägte Fachlichkeit. Viele Museen sind Textwüsten. Man hat ganz ausführliche und keineswegs besonders leichte Erklärungen zu den Exponaten“, sagt die Medienlinguistin Christiane Maaß.
Das sei aber im Museum der Sinne des Roemer- und Pelizaeus-Museums von vornherein vermieden worden. „Die Ausgangstexte sind überwiegend sehr gut gelungen. Dennoch sind auch einfühlsame und knapp schildernde Texte noch lange keine Texte in Leichter Sprache“, so Maaß. Deshalb hat das Museum die Hildesheimer Uni, mit der ein Kooperationsvertrag besteht, ins Boot geholt. Die Studentinnen aus dem Seminar „Barrierefreie Kommunikation“ – Anna Muus, Maria Heybutzki, Shirley Peglow und Danja Philine Prahl – haben die Informationstexte für das Museum übersetzt.
Die Information über Höhlenmalerei und die Lebenswelt der frühen Menschen – etwa die Aussage „Mit welchen Tieren die Menschen zum Beispiel in der Steinzeit vertraut waren, zeigen uns Höhlenmalereien aus verschiedenen Ländern der Welt.“ – übersetzt Anna Muus so: „Früher haben die Menschen in Höhlen gewohnt. Die Menschen haben Bilder gemalt. Auf den Bildern sind zum Beispiel Tiere. Früher hatten die Menschen noch kein Papier. Darum haben die Menschen die Bilder auf die Wände von den Höhlen gemalt. Die Bilder von den Tieren gibt es noch heute. Die Bilder zeigen uns: Diese Tiere haben früher gelebt.“ Die Schrift ist größer, es gibt keine Nebensätze. Jede Aussage beginnt mit einem neuen Satz. Seltene Wörter werden vermieden, in Texten steht das Wichtigste oben.