BBV-Resolution

Zur Innenausstattung der neuen S-Bahn Fahrzeugflotte. Inklusive erste Reaktionen auf die Resolution

von: Berliner Behindertenzeitung

Rolli-Quadriga

Die BBV-Mitgliederversammlung hat sich am 24. Juni 2017 einstimmig gegen die geplante Bestellung der neuen Innenausstattung der neuen S- Bahn-Fahrzeuge ausgesprochen.

Kritikpunkte – sowohl des Berliner Behindertenverbandes e. V. als auch anderer Behinder- tenverbände – an der neuen Innenausstattung der neuen Fahrzeugflotte, werden nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt.

Zudem erweckt die S-Bahn Berlin GmbH fälschlicherweise den Eindruck, die Innenausstattung der neuen Fahrzeugflotte würde im Einklang und in Absprache mit den Behindertenverbänden bestellt. Dies ist nicht der Fall.

Wir fordern daher alle Verantwortlichen auf, eine Bestellung der Innenausstattung der neuen Fahrzeugflotte derzeit nicht vorzunehmen und in einem konstruktiven Beteiligungsverfahren die vor- gebrachten Kritikpunkte (siehe unten) aufzunehmen und etwaiige Nachbesserungen vorzunehmen und zu kommunizieren.

Scheinbeteiligungsverfahren – wie sie bisher stattgefunden haben – sind nicht hinnehmbar.

Dominik Peter
Vorsitzender Berliner Behindertenverband e.V.
Berlin, den 27.06.2017

 

Daumen_runterDie wichtigsten Kritikpunkte an der neuen Fahrzeugflotte sind:

 

  1. Der Eingangsbereich ist viel zu klein

Rollstuhlfahrer haben keine Chance hineinzurollen ohne andere Fahrgäste anzufahren und im Eingangsbereich in Türnähe stehen zu bleiben. Rollstühle sollten im Eingangsbereich stehen bleiben können, so wie sie es jetzt tun und sollten nicht durch Menschenansammlungen fahren müssen.

2. Der Mehrzweckbereich ist viel zu klein

Es gibt dort zwei Rollstuhlplätze, zwei Kinderwagen- und zwei Fahrradplätze, jedoch den Rollstuhl quer durch die Kabine an Kinderwagen und Fahrrad oder an anderen Rollstühlen vorbei an seinen Platz zu fahren, wird in der Alltagssituation nicht funktionieren. Viele Fahrgäste sind mit Gepäck, Kinderwagen, Fahrrad, Kindern und Hunden unterwegs.

3. Die neue Rampe ist zu kurz

Sie bildet an Bahnhöfen mit Höhenunterschied einen zu steilen Winkel. Dies bedeutet eine sehr große Kipp- und Verletzungsgefahr. Die zusätzlich angebotenen Spaltüberbrückungen müssen bestehen bleiben.

4. Es gibt in den Eingangsbereichen zu viele senkrechte Haltestangen

Rollstuhlfahrern wird dadurch der freie Einstieg, so wie er heute stattfindet, laut Auskunft einer S-Bahn- Mitarbeiterin, bewusst verwehrt und wird auf die Mehrzweckbereiche beschränkt. Diese Beschränkung verhindert völlig unnötigerweise Selbstbestimmung und Inklusion. Sollte dann noch der Mehrzweckbereich bereits belegt sein, ist es für ihn nicht mehr möglich mitzufahren, denn der Weg zum nächsten Mehrzweckbereich ist viel zu weit und die Eingänge dazwischen werden durch die senkrechten Haltestangen blockiert. Ob Rollstuhlfahrer mitfahren können wird je nach Tageszeit zum Lotteriespiel.

5. Erreichbarkeit Türöffnungstaster

Der nur an der ersten Tür vorhandene Türöffnungstaster für Rollstuhlfahrer ist nicht von jedem erreichbar. Es wird vorgeschlagen, die ersten beiden Türen mit Rolli-Tastern auszustatten.

6. Erreichbarkeit Notruftaster

Der Notruftaster zwischen den Klappsitzen ist für die meisten Rollstuhlfahrer nicht erreichbar.

UPDATE: Nach Veröffentlichung der BBV-Resolution kam einiges ins Rollen. Die Resolution wurde nicht nur an die S-Bahn Berlin GmbH verschickt sondern auch an die Parteien im Abgeordnetenhaus. Hier veröffentlichen wir eine Auswahl der Reaktionen.

  1. Email von Sebastian Czaja (FDP), 03.07.2017

Sehr geehrter Herr Peter,

Ihre Resolution habe ich gemeinsam mit unserem Verkehrspolitischen Sprecher Herrn Schmidt sowie unserem Sozialpolitischen Sprecher Herrn Seerig erörtert. Wir unterstützen das Anliegen. Es ist sicherzustellen, dass in Zukunft alle neu beschafften S-Bahn Fahrzeuge den Anforderungen entsprechen und der Senat dies im Vergabeverfahren auch festschreibt.

Für weitere Rückfragen bzw. Austausch stehen wir natürlich jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Czaja, MdA (Fraktionsvorsitzender)

2. Parteitagsbeschluss Die Linke (01.07.2017)

Keine Neugestaltung der S-Bahnflotte zu Lasten der Barrierefreiheit – Menschenrechte nicht finanzwirtschaftlichen Interessen opfern

Der Parteitag fordert den Landesverband und die Abgeordnetenhausfraktion auf, sich mit allen verfügbaren Mitteln dafür einzusetzen, dass die S-Bahn Berlin GmbH die neue Fahrzeugflotte, wegen erheblicher Barrieren nicht wie geplant bestellt. Die Antragsteller*innen schließen sich der Forderung von Behindertenverbänden, wie dem Berliner Behindertenverband (BBV) an: In einem Beteiligungsverfahren die vorgebrachten Kritikpunkte aufzunehmen, notwendige Nachbesserungen vorzunehmen und diese öffentlich zu kommunizieren.

Anmerkung der Redaktion: Wir danken all jenen Personen, die diesen Parteitagsbeschluss ermöglichten.

3. Antwortschreiben der Deutschen Bahn (Eigentümer der S-Bahn Berlin GmbH)

Da das Schreiben sehr umfangreich ist, kann es hier als PDF heruntergeladen werden: Deutsche Bahn.