„Behindertenpolitik – behindert Politik?“

von: Dominik Peter

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Corinna Rüffer, B90/Grüne.

Ein breites Spektrum aktueller behindertenpolitischer Themen stand auf der Tagesordnung bei einer Podiumsdiskussion am 24. März in der Landesvertretung Baden-Württemberg. Der BSK lud die vier behindertenpolitischen Sprecher der Parteien ein, über die Themen Inklusion, Partizipation, Empowerment und Barrierefreiheit zu diskutieren. Moderiert wurde das Gespräch von Karl Finke, BSK-Vorstandsmitglied. Der Einladung folgten Corinna Rüffer, B90/Grüne, Kerstin Tack, SPD und Uwe Schummer, CDU.

„Rund 10 Millionen Menschen in Deutschland sind von einer Behinderung betroffen, 8 Millionen haben einen Schwerbehindertenausweis“, stellte Finke vorweg und leitete damit zum Thema Partizipation über. Einig waren sich alle drei Politiker bei der Abschaffung des Wahlrechtausschlusses. Noch dürfen in Deutschland rund 90.000 Menschen aufgrund ihrer Behinderung nicht an die Wahlurne.  „Meine Fraktion hat bereits vor Jahren die Abschaffung dieses unhaltbaren Zustands gefordert“, sagte Corinna Rüffer. Auch für Kerstin Tack und Uwe Schummer ist die Streichung dieser Verordnung dringend notwendig. „Es gibt überhaupt keine Begründung, weshalb man diese Regelung nicht interfraktionell mit allen vier Parteien jetzt auf den Weg bringt“, betonte Uwe Schummer. Kerstin Tack erläutert, dass die Streichung des Wahlrechtsausschlusses bereits Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrages sei.

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Kerstin Tack, SPD.

Zum Thema Barrierefreiheit und der von einem Zuhörer geforderten Schaffung eines Inklusion Fonds äußerte sich Uwe Schummer: „Einen  Investitionsfond „Soziale Stadt“ gibt es bereits. Darin stehen finanzschwachen Kommunen 3,5 Milliarden Euro zum Abruf bereit, um beispielsweise Barrierefreiheit voranzutreiben“, erläutert Schummer und fügt hinzu „aber diese Fördergelder werden nicht ausreichend abgerufen“. Kerstin Tack stellte fest, dass dieser Fond insbesondere für Kommunen geschaffen wurde, um öffentliche Plätze und Gebäude barrierefrei zu gestalten. „Ebenso wird für den Umbau von privatem Eigentum wieder eine KFW-Förderung angeboten. Das ist aber immer noch nicht hinreichend bekannt“, betont sie und ergänzt: „Bei der Förderung von öffentlichen Baumaßnahmen sind sowohl energetische als auch barrierefreie Baumaßnahmen Voraussetzung“

Karl Finke resümierte: „Durch das BTHG ist ein gewisser Drive in die Behindertenbewegung gekommen. Nie zuvor gab es eine solche starke Beteiligung von Behindertenverbänden und Selbsthilfeorganisationen bei der Formulierung eines Gesetztes wie dem BTHG“. Für die künftige Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern fordert er „Partizipation heißt nicht nur Teilhabe sondern Mitentscheidung. Für uns heißt das, nicht nur in Beratungsgremien zu sitzen sondern wenn es um unsere Belange geht, an den entscheidenden Stellen Einfluss zu nehmen und unsere Ansprüche geltend zu machen“.

Die Grünen-Politikerin Corinna Rüffer vergleicht den Weg zu einer inklusiven Gesellschaft mit einer Kulturrevolution. „Wir werden es mit harten Widerständen zu tun haben. Wir müssen uns im Klaren sein, dass es im Schulbereich viele Kritiker gibt. Sowohl unter der Elternschaft als auch bei den Lehrern gibt es viele, die an lieb gewordenen Strukturen festhalten und gar keine Lust haben, ein inklusives Schulsystem voranzubringen“. Für Rüffer gibt es in Sachen Barrierefreiheit in Deutschland noch viel Handlungsbedarf und wenig Lösungsangebote. „In dieser Woche saßen ich mit Maik Nothnagel zu einem Fachgespräch über das Thema Mobilität in den Städten und Umgebung zusammen und haben dabei festgestellt, dass Deutschland eine einzige Baustelle ist“.

 Für Karl Finke war es am Ende der Diskussion wichtig, noch einmal die Forderung nach einer Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen zu stellen. „Mir ging es in den heute angesprochenen Punkten um die grundsätzliche Orientierung, Dinge abzuleiten aus den Fragen soziale Themen und Menschenrechtsthemen. Das sind Themen, die uns in unserem Alltag betreffen.“ Dazu gehört nach Finkes Meinung Barrierefreiheit, Mobilität, gleiche Lebensbedingungen, sowie mehr Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Sein Fazit: „Es ist unser gemeinsames Anliegen, das Menschen mit Behinderung als mündige Bürger akzeptiert werden. Von meinen Podiumsgästen erwarte ich, dass sie mit dafür sorgen, dass wir mit Ihnen an der Seite in der nächsten Legislaturperiode im Bereich Mitentscheidung behinderter Menschen einen großen Schritt nach vorne gehen.“