Für die Busunternehmer in Deutschland wird es ernst. Ab Januar müssen alle neu zugelassenen Fernbusse über mindestens zwei rollstuhlgerechte Plätze verfügen. So will es der Gesetzgeber.
Busreisen hatten immer so ein Image von Seniorenreisen. Das hat sich seit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs sehr geändert. An den Bushaltestellen sind immer mehr jüngere Menschen zu sehen. Sie machen inzwischen mehr als ein Viertel der Fahrgäste aus. Der Fernbusverkehr hat die Deutsche Bahn überholt und liegt nach PKW und Billigflieger auf Platz drei, so sagt es zumindest Christiane Leonard, die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) in einem WAZ-Interview im Februar 2014.
Busfahrten waren für Menschen mit Behinderung in der Vergangenheit nur in speziell ausgestatteten Bussen möglich. Das hat sich geändert. Seit Februar 2011 gibt es nämlich die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr. Von den 28 Absätzen in der Einleitung befassen sich neun speziell mit den Rechten behinderter Menschen. Und diese Wertigkeit zieht sich durch die gesamte Verordnung.
Die Rechte behinderter Menschen werden oft auf fehlende Rollstuhlplätze reduziert. Es ist zwar wahr, dass Rollstuhlfahrer in besonderem Maße die Aufmerksamkeit der Busbetreiber beanspruchen, sie sind aber nicht allein behindert. Die Fahrgastverordnung bezieht ausdrücklich alle Behinderungsarten ein und verlangt zum Beispiel, Informationen für alle Fahrgäste zugänglich zu machen. Eine Durchsage des Busfahrers muss also nicht nur akkustisch für den mobilitätseingeschränkten Fahrgast verstehbar sein, auch der hörgeschädigte oder der geistig Behinderte müssen wissen, was passiert. Die Verordnung sieht reichlich Schulungen für das Personal für diese Fälle vor.
Kasus knaxus für die Busunternehmen ist aber die Einrichtung zweier Rollstuhlfahrerplätze in allen neu zugelassenen Bussen ab Januar 2016. Ab 2020 müssen alle Busse so ausgerüstet sein.
Der BDO versucht, ein Moratorium durchzusetzen, welches die Frist Januar 2016 nach hinten schiebt. Man erwartet von der Politik einen Freibrief und verspricht dafür, den Termin 2020 einhalten zu wollen.
Der Deutsche Behindertenbeirat hat eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die die Interessen der Menschen mit Behinderung durchsetzt. Auch das verlangt die EU-Fahrgastverordnung: Die Einbeziehung behinderter Menschen und ihrer Verbände. Diese Arbeitsgruppe hat sich konsequent gegen eine Verschiebung des Termins ausgesprochen. Die Mitglieder dieser Gruppe haben die Befürchtung, dass nach diesem Moratorium weitere folgen werden.
Übrigens verlangt die Fahrgastverordnung ebenfalls eine barrierefreie Infrastruktur. Was nützen Rollstuhlfahrerplätze in den Bussen, wenn der mobilitätseingeschränkte Fahrgast nicht ein- oder aussteigen kann. Unser Berliner ZOB ist ein wunderbares Anschauungsbeispiel, wie Busbahnhöfe nicht aussehen sollten.
Der BSK hat seit Sommer eine Meldestelle eingerichtet, in der Verstöße registriert und ausgewertet werden.