Berichte über die Deutsche Bahn gibt es ebenso zahlreich, wie Witze über sie. Besonders für Menschen mit Beeinträchtigungen sind Bahnfahrten immer wieder eine Herausforderung und nicht selten ein Abenteuer. Dabei hat sich hinsichtlich der Barrierefreiheit in den Zügen und auf den Bahnhöfen sowie des Services in den letzten Jahren einiges getan.
Laut DB-Statistik vom Dezember 2014 waren 4.000 von rund 5.400 Bahnhöfen stufenfrei, 4.400 von 9.600 Bahnsteige haben einen Blindenleitstreifen und 550.000 Hilfeleistungen wurden 2014 für mobilitätseingeschränkte Personen geleistet. Hilfreich ist auch die (leider gebührenpflichtige) Telefonhotline, die speziellen Informationen im Internet (www.bahn.de und www.bahnhof.de) sowie die kostenlose Broschüre „Mobil mit Handicap – Services für mobilitätseingeschränkte Reisende“.
Und 2015 verkündet die DB auf ihrer Homepage: „Der neue Intercity – unser Zug mit mehr Platz, mehr Service, mehr Komfort. Sie können viel bequemer, einfacher und schneller ein- und aussteigen. Für Fahrgäste mit Mobilitätseinschränkungen ist ein besonders ausgestatteter Bereich an Bord vorgesehen. Die großzügige Fläche bietet Platz für 2 Rollstühle und 5 Sitze für mobilitätseingeschränkte Reisende und Begleitpersonen.“
Intercity 2 im Praxistest
Der Fußballfan Jan Krech ist oft mit der Bahn unterwegs, weiß also auch, was er als Rollstuhlfahrer bei der Vorbereitung und während der Reise beachten muss. Drei Bahnfahrten allein im Januar mit vielen negativen Eindrücken und Pannen veranlassten ihn, seine Reiseerlebnisse der Leiterin der Kontaktstelle für Behindertenangelegenheiten, Frau Ellen Engel-Kuhn, schriftlich mitzuteilen.
Am 1. Januar 2016 ging es mit dem neuen InterCity 2 von Hannover Hauptbahnhof nach Bremen Hbf. Die Fahrt wurde ordnungsgemäß bei der Mobilitätsservicezentrale (MSZ) am 28.12.15 angemeldet. Trotzdem wusste das Zugpersonal aber nicht, dass Jan Krech ab Hannover diesen Zug nutzen wollte. Einige Minuten vergingen, bis er über die fahrzeuggebundene Einstiegshilfe einsteigen konnte. Dabei fand er, dass diese Einstiegshilfe im Wagen 1, die durch eine lange Klapprampe gewährleistet wird, sehr unpraktikabel ist.
„Wenn man dann auf den für die Rollstuhlfahrer vorgesehenen Plätzen angekommen ist, hat man das Vergnügen, jedem Mitreisen fast bei seinem kleinen und großen Geschäft direkt zuzusehen, da die Tür sich vom WC zu den Mitreisenden öffnet“, erklärt Krech. „Der Türöffner für das WC ist jetzt auf der rechten Seite hinter einem Sitz versteckt. Die zwei Steckdosen in dem Abteil sind auch sehr mangelhaft.“ Da gehören einfach mehr hin.
Am 3. Januar nutzte Jan Krech dann den IC 2431. Auch diese Fahrt wurde ordnungsgemäß bei der MSZ angemeldet. Diesmal musste er das Zugpersonal einweisen, wo sich die fahrzeuggebundene Einstiegshilfe befindet. „Das ist keine Aufgabe des Kunden. Wurden denn alle Zugbegleiter für den Einsatz auf dem InterCity 2 geschult?“ wundert sich Krech. „Kurz vor Hannover war dann auch noch das Behinderten WC defekt. Der Zugbegleiter versuchte für mich und meine Begleitung einen Umstieg in Hannover nach Berlin zu organisieren. Das war ihm leider nicht möglich, da alle Züge ab Hannover schon mit anderen Rollstuhlfahrern belegt waren. Daher entschloss ich mich, mit meiner Begleitung in diesem Zug bis Potsdam zu verbleiben. In beiden IC-Zügen war zudem die Fahrgastinformation ausgefallen. Wie kann das bei so einem neuen Zug passieren?“
Die Bahn antwortet
In ihrer Antwort betonte Frau Ellen Engel-Kuhn, dass der DB die Eindrücke von Jan Krech sehr wichtig sind.„Der Intercity 2 muss drei verschiedene Bahnsteighöhen bedienen können, da er – im Gegensatz zum ICE – auch kleinere Städte und touristische Zielgebiete anbindet, die über niedrige Bahnsteige mit 38 oder 55 cm Höhe verfügen. Trotz zahlreicher bereits realisierter und im weiteren noch geplanter Bahnhofsmodernisierungen werden wir auf absehbare Zeit nicht alle für unser heutiges und künftig sogar ausgeweitetes Intercity-Netz notwendigen Fernverkehrsbahnsteige auf die einheitliche Höhe von 76 cm bringen können, wie das bei ICE-Bahnhöfen heute üblich ist. Weil die ergänzende Rampe im Zug mitgeführt und vom Bordpersonal angelegt wird, verbessert auch diese Lösung Bahnreisen für Rollstuhlfahrer erheblich im Vergleich zum heutigen Prozess mit notwendigem Einsatz bahnsteigseitiger Hilfeleistungen. Die Länge der Rampe erschwert zweifellos die Handhabung, ist aber, orientiert an den rechtlich zulässigen Neigungen, konstruiert worden.
Leider gibt es bei der Konzeption der Universaltoilette und des Zugangs hierzu immer Zielkonflikte: Zum einen sollen die Wege zum WC sehr kurz und ohne Engstellen und größerem Rangieren erreichbar sein. Zum anderen soll der Innenraum des WC`s großzügig bemessen sein, um auch mit größeren Rollstühlen im WC wenden zu können.Dies sind immer wieder von Behindertenverbänden zu Recht eingeforderte Anforderungen, die wir beim Intercity 2 sehr gut gelöst haben.“ Änderungen versprach Engel-Kuhn hinsichtlich der Türschalter sowie der Steckdosen im Rollstuhlbereich in der nächstenBauserie und sie schrieb: „Alle Zugbegleiter, die im Intercity 2 eingesetzt werden, wurden bezüglich der Bedienung der Rampe geschult. Dass unsere Kollegen auf den neuen Zügen in den ersten Betriebstagen noch nicht über die wünschenswerte Routine verfügten, bitten wir zu entschuldigen.“
Noch viel zu tun
Über seine Erlebnisse und die Antwort der Deutschen Bahn berichtete auch die Internetpattform www.kobinet-nachrichten.org (15.01.2016). Die dann folgende Leserdiskussion und die dort veröffentlichte vollständige Antwort von Frau Engel-Kuhn sei hiermit zum Nachlesen empfohlen.
Fazit: Es bleibt noch viel zu tun, bis alle Züge und Bahnhöfe barrierefrei sind. Das Personal in Zügen und auf Bahnhöfen istbesserzu schulen, Kommunikationspannen sind zu minimieren und der Service muss bedarfsgerecht und den Fahrplänen angepasst ausgebaut werden.