1. Warum ist eine Pflegereform notwendig?
Die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit orientiert sich heute vor allem an den körperlichen Ein- schränkungen des Betroffenen sowie am Zeitaufwand, den eine Laienpflegekraft für die Hilfe bei Körperpflege, Ernährung und Mobilität aufbringen muss. Die Hilfen für Menschen mit Demenz oder psychischen Erkrankungen werden dabei nicht ausreichend berücksichtigt.
Dies ändert sich mit der neuen Pflegereform. Darüber hinaus kann mit dem neuen System besser geplant werden, welche Art von Unterstützung ein pflegebedürftiger Mensch tatsächlich braucht.
2. Was ändert sich bei der Einstufung pflegebedürftiger Menschen?
Bisher orientierte sich die Einstufung pflegebedürftiger Menschen vor allem an ihren körperlichen Defiziten. Künftig werden körperliche, geistige und psychische Beeinträchtigungen gleichermaßen in die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit einbezogen.
Statt der bisherigen drei Pflegestufen wird es fünf Pflegegrade geben, was eine differenzierte Ein- schätzung des benötigten Pflegeaufwandes ermöglicht. Die Pflegebedürftigkeit orientiert sich künftig nicht mehr an benötigten Pflegeminuten, sondern an den noch vorhandenen Fähigkeiten des Menschen – Maßstab für die Beurteilung ist damit der Grad der Selbständigkeit. Außerdem werden bei der Begutachtung weitere Aspekte wie beispielsweise kommunikative Fähigkeiten oder die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit einbezogen.
3. Wonach beurteilt sich, ob ein Mensch pflegebedürftig ist?
Maßgeblich für das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sind die gesundheitlichen Beeinträchtigun-
gen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten in den nachfolgenden sechs Bereichen:
1. Mobilität
(Wie selbständig kann der Mensch sich fortbewegen und seine Körperhaltung ändern?)
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
(Wie findet sich der Mensch in seinem Alltag örtlich und zeitlich zurecht? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen? Kann die Person Gespräche führen und Bedürfnisse mittei- len?) - Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
(Wie häufig benötigt der Mensch Hilfe aufgrund von psychischen Problemen wie etwa ag- gressives oder ängstliches Verhalten?) - Selbstversorgung
(Wie selbständig kann sich der Mensch im Alltag selbst versorgen bei der Körperpflege, beim Essen und Trinken?) - Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten An- forderungen und Belastungen
(Wie aufwändig ist die Unterstützung beim Umgang mit der Krankheit und bei Behandlun- gen, zum Beispiel bei Medikamentengabe oder Verbandswechsel?) - Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
(Wie selbständig kann der Mensch noch den Tagesablauf planen oder Kontakte pflegen?)
Aufgrund einer Gesamtbewertung aller Fähigkeiten und Beeinträchtigungen erfolgt die Zuordnung zu einem der fünf Pflegegrade.
4. Wie errechnet sich der jeweilige Pflegegrad?
Die Zuordnung zu einem Pflegegrad erfolgt anhand eines Punktesystems. Dazu werden in den sechs Bereichen Mobilität (1), kognitive und kommunikative Fähigkeiten (2), Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (3), Selbstversorgung (4), Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen oder Belastungen (5), Gestaltung des All- tagslebens und sozialer Kontakte (6), die jeweils mehrere Einzelkriterien enthalten (zum Beispiel: Essen oder Trinken), für jedes erhobene Kriterium Punkte vergeben. Die Höhe der Punkte orien- tiert sich daran, wie sehr die Selbständigkeit eingeschränkt ist oder die Fähigkeiten noch vorhan- den sind. Grundsätzlich gilt: Je höher die Punktzahl, desto schwerwiegender die Beeinträchtigung.
Die innerhalb eines Bereiches für die verschiedenen Kriterien vergebenen Punkte werden zusam- mengezählt und gewichtet. Denn entsprechend ihrer Bedeutung für den Alltag fließen die Ergeb- nisse aus den einzelnen Bereichen unterschiedlich stark in die Berechnung des Pflegegrades ein. Beispielsweise der Bereich „Selbstversorgung“ mit 40 Prozent oder der Bereich „Mobilität“ mit 10 Prozent. Die Gewichtung bewirkt, dass die Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten von Personen mit körperlichen Defiziten einerseits und kognitiven oder psy- chischen Defiziten andererseits sachgerecht und angemessen bei der Bildung des Gesamtpunktes berücksichtigt werden. Aus dem Gesamtpunktwert wird das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit be- stimmt und der Pflegegrad ableitet.
Eine Besonderheit besteht darin, dass nicht beide Werte der Bereiche 2 (Kognitive und kommuni- kative Fähigkeiten) und 3 (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen), sondern nur der höchste der beiden gewichteten Punktwerte in die Berechnung eingeht.
5. Wann liegt Pflegebedürftigkeit vor?
Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn der Gesamtpunktwert mindestens 12,5 Punkte beträgt. Der Grad der Pflegebedürftigkeit bestimmt sich wie folgt:
Pflegegrad 1: Pflegegrad 2: Pflegegrad 3: Pflegegrad 4: Pflegegrad 5:
12,5 bis unter 27 Punkte
(geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten)
27 bis unter 47,5 Punkte
(erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten)
47,5 bis unter 70 Punkte
(schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten)
70 bis unter 90 Punkte
(schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten)
90 bis 100 Punkte
(schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit be- sonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung)
Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden pauschal einen Pflegegrad höher ein- gestuft. Pflegebedürftige, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen personellen Unterstüt- zungsbedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, werden unabhängig vom Erreichen des Schwellenwertes von 90 Punkten dem Pflegegrad 5 zugeordnet. Diese sogenannte besondere Bedarfskonstellation liegt nur beim vollständigen Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktionen vor.
6. Ich erhalte bereits Leistungen von der Pflegeversicherung. Was muss ich tun, um die neuen Pflegeleistungen in Anspruch nehmen zu können?
Sie müssen nichts tun. Personen, die bereits Leistungen der Pflegeversicherung beziehen, müs- sen keinen neuen Antrag auf Pflegeleistungen oder auf Neubegutachtung stellen. Die zuständige Pflegekasse stellt die neuen Pflegeleistungen automatisch ab dem 01.01.2017 zur Verfügung und informiert die Pflegebedürftigen zuvor darüber. Durch diese automatische Überleitung wird ein zusätzlicher und unnötiger Aufwand für die Betroffenen vermieden. Für Menschen mit körperli- chen Einschränkungen gilt dabei die Grundregel „+1“. Sie gelangen beispielsweise von der Pflege- stufe 1 in den Pflegegrad 2. Für Pflegebedürftige mit dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltags- kompetenz gilt sogar „+2“.
7. Wie ändern sich die Beträge?
Dies können Sie im folgenden PDF nachlesen: die_neuen_Betraege