Die Qual der Wahl

Änderung des Schulgesetzes und Teilhabemöglichkeiten für Menschen in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe - eine behindertenpolitische Bilanz.

von: Berliner Behindertenzeitung

Im September wählt Berlin bekanntermaßen ein neues Abgeordnetenhaus. Eine gute Gelegenheit, Rückschau auf die behindertenpolitischen Aktivitäten des Parlaments und des Senats zu halten.

Man wird den Abgeordneten nicht vorwerfen können, dass sie sich nicht ausreichend mit dem Thema befasst haben. Hiervon zeugen die zahlreichen, auch auf der Internetseite der Berliner Behindertenzeitung veröffentlichten parlamentarischen Anfragen. Auch die Fachausschüsse sowie das Plenum des Abgeordnetenhauses haben sich ausführlich mit den Belangen von Menschen mit Behinderungen befasst. Wendet man den Blick jedoch von der Quantität hinüber zur Qualität der Beratungen, muss die Bilanz eher ernüchternd ausfallen.

Änderung des Schulgesetzes

So beriet das Parlament in seiner Sitzung vom 28. Januar 2016 ein Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, endlich den uneingeschränkten Anspruch auf Inklusion ohne Finanzierungsvorbehalt in das Schulgesetz aufzunehmen. So hatte es auch der von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie eingesetzte Inklusionsbeirat empfohlen. Die Linke und die Piraten hatten sich dieser Empfehlung mit einem Änderungsantrag angeschlossen. Doch das Abgeordnetenhaus ließ diese Gelegenheit mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen verstreichen. Die Begründung lieferte der zuständige Staatssekretär Mark Rackles (SPD) in der Sitzung vom 21. Januar 2016. Er führte  aus, der uneingeschränkte Rechtsanspruch für inklusive Beschulung sei die Krönung des Inklusionsprozesses. Dazu gehöre der Abschluss der Inklusionsdebatte. Soll heißen: Die Debatte ist noch nicht beendet. Hier muss man entgegnen, dass diese Debatte bereits seit mehr als 30 Jahren geführt wird und alle Erkenntnisse pro schulischer Inklusion auf dem Tisch liegen.

Einrichtungen der Behindertenhilfe

Wenig zufriedenstellend sind auch die Teilhabemöglichkeiten für Menschen in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe. Dabei wurde für sachverständige Expertisen seitens der Senatsverwaltung viel Geld ausgegeben, andererseits für die Betroffenen aber wenig erreicht. Die externe Evaluation des „Projekt Heime“ kostete nach Angaben der Verwaltung 135.978,29 €. Ein ernüchterndes Fazit zog die Sachverständige Ingrid von Randow, 2. Vorsitzende der Berliner Lebenshilfe in der Anhörung am 18. Januar 2016. Sie wies darauf hin, dass Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf durch die Unzulänglichkeiten des derzeitigen Vergütungssystems folgenschwer benachteiligt würden. So könnte in den Einrichtungen überwiegend nur noch pflegerische Basisversorgung erfolgen. Hingegen sei eine Begleitung im Leben und soziale Teilhabe nicht mehr gewährleistet. Dies ist nicht im Sinne der Betroffenen und widerspricht auch den Vorgaben der UN-BRK.

Auch das Thema „Barrierefreies Taxi in Berlin“ war aufgrund eines Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie eines Projektes des Sozialverbandes Deutschland zuletzt Thema im zuständigen Ausschusses am 4. Mai 2016. Dabei geht es darum, die organisatorischen und rechtlichen Grundlagen für sogenannten Inklusionstaxis umzusetzen. Der Senat verweigert bisher die Einführung rechtsverbindlicher Lösungen. In der Sitzung wies Staatssekretär Christian Gäbler (SPD) darauf hin, dass die Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde eingeschränkt seien. Im Übrigen wäre für die Einführung die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sowie der Landesbehindertenbeauftragte verantwortlich. In der Sache scheint es derzeit auf den Abschluss einer Zielvereinbarung mit dem Taxiunternehmen hinauszulaufen, was von diesen in der Vergangenheit bisher abgelehnt wurde.

Es bleibt also auch in der kommenden 18. Wahlperiode, vor allem für uns Betroffene, viel zu tun.