An den Werkstätten für behinderte Menschen scheiden sich die Geister. Die Werkstatt muss weg, sagen die Einen. Die Werkstatt ist die Heimstatt für Menschen, die den Belastungen auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht gewachsen sind, sagen die Anderen.
Als im Februar die Aktion Mensch als 2.000er Arbeitgeber die Charta der Vielfalt unterschrieb, erklärte der Vorstand der Aktion Mensch, Armin von Butlar, dass Inklusion für ihn bedeute, die Werkstätten aufzulösen und die behinderten Beschäftigten in die Gemeinde zu holen. Auf die Frage, was dann aber mit den mehrfach behinderten Menschen in der Gemeinde geschehen solle und wer sich darum in Zukunft zu kümmern habe, betonte er, dass es Grenzen und Zeiträume zu beachten gäbe.
Das ist eine wichtige und notwendige Konkretisierung. Natürlich weiß jeder, der sich in Werkstätten auskennt, dass nicht jeder der dort beschäftigen Mitarbeiter die Kraft hat, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt zu behaupten. Der Leistungs- und Konkurrenzdruck dort ist unvergleichlich größer als in einer Werkstatt.
Das sind Argumente, die unstrittig sind. Viele Werkstätten arbeiten eng mit Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes zusammen. Aufträge werden in die Werkstatt geholt und damit eine Arbeit wie in einem Betrieb realisiert oder es werden Außenarbeitsgruppen direkt in die Betriebe geschickt. Zweifellos ist das eine Möglichkeit, um die Grenzen zwischen den Arbeitsmärkten verwischen zu lassen und trotzdem eine sicheren Schirm zur Verfügung zu stellen.
Die Aktion Mensch hat zur öffentlichen Unterzeichnung der Charta der Vielfalt mit Bedacht die Schankhalle Pfefferberg ausgewählt. Es ist ein von ihr gefördertes Integrationsunternehmen, im dem behinderte und nichtbehinderte Mitarbeiter gleichberechtigt zusammen arbeiten. Abgesehen von dem guten Gefühl, in einem „richtigen“ Unternehmen zu arbeiten, verdienen die Mitarbeiter dort tatsächlich Geld und sind nicht auf die Grundsicherung angewiesen. Der Slogan „Arbeit muss sich lohnen“ ist für sie zu einer Realität geworden, die mehr für ihr Selbstvertrauen getan hat, als so manche Therapie.
In Nürnberg treffen sich ab 12. März die Werkstätten Deutschland zu ihrer jährlich stattfindenen Werkstättenmesse. Aus Berlin sind von den 19 Werkstätten 17 dabei. Hoffentlich nutzen sie die Zeit, um auch über diese Zukunftsfragen zu sprechen.
Die Werkstatt am Scheideweg
Quo vadis, Werkstatt für behinderte Menschen?
von: Kurt Herrmann