Keine Grenzen. Florian Kendl ist seit einem Mopedunfall bis zum Hals gelähmt, wird künstlich beatmet. Er als Passagier eines Langstreckenflugs – undenkbar. Bis jetzt.
Es war einfach Pech, sagt Florian Kendl heute. Ein kurzer Moment, in dem er nichts sehen konnte. Im Gegenlicht unterwegs, von der tiefstehenden Sonne geblendet. Auf einer Landstraße fuhr der damals 16-Jährige mit seinem Moped einem Bus auf. Danach ist seine Erinnerung an jenen lauen Herbsttag im Oktober 2006 verschwommen.
17 Tage ringt er im Koma um sein Leben. Doch sein Zustand stabilisiert sich. Florian wird es schaffen, aber nicht mehr so sein können, wie er vor dem Unfall war. „Kennen Sie Christopher Reeve, den Darsteller aus Supermann?“, fragt eine Ärztin den Vater. „Denn so wird Ihr Sohn auch sein.“ Vom Hals abwärts querschnittsgelähmt und durchgehend auf ein Beatmungsgerät angewiesen. Ein Schock für die Familie, die Freunde, die Bekannten. Nach einigen Tagen wird Florian aus dem künstlichen Tiefschlaf geweckt. „Es ist unvorstellbar schlimm, wenn man dann so etwas gesagt bekommt“, erinnert sich Florian.
Florian blieb Florian
Nach einer langwierigen Reha in Wien, kehrte der Niederösterreicher etwa ein Jahr nach seinem Unfall in das nun barrierefreie Elternhaus zurück. Früher sei Florian viel unterwegs gewesen. Auf dem Fußballplatz, im Schwimmbad oder mit Freunden. Mama Renate erinnert sich: „sportlich und locker haben ihn eigentlich immer alle beschrieben. Das würde ich heute aber auch noch. Wobei sich das Sportliche jetzt nur noch passiv ausleben lässt.“ Sie und ihr Mann Franz waren von der Art und Weise, wie ihr Sohn mit der neuen Situation umging, überrascht: „Er ist immer positiv geblieben. Keine Depression, kein gar nichts.“
Denn für Florian stand immer fest: „Ich lebe mein Leben weiter. Seit Anfang 2012 arbeitet er als Webdesigner für das Musikhaus „Schlagerl“. „Da ich den Computer mit einer Mund-Maus problemlos bedienen kann, habe ich mir sogar meinen absoluten Berufswunsch erfüllt“, freut sich Florian. Überhaupt habe er nie ans Aufgeben gedacht, kein einziges Mal negative Gedanken gehabt.
Die große Reise
Ende Januar, Flughafen Wien: Florian Kendl sitzt mit seiner Familie in einem Café und fiebert der Abreise entgegen. Dass er an diesem Tag beim 12-Stunden-Flug nach Bangkok mit an Bord der Austrian Airlines-Maschine sein darf, ist eine Premiere. Zu viele Einzelheiten waren zuvor noch ungeklärt. Zu hoch wäre das Sicherheitsrisiko für ihn und die anderen Passagiere gewesen. Florians Reise ist schließlich das Ergebnis von einem halben Jahr Vorbereitung, von hunderten Stunden Arbeit. Das Ergebnis ist die Erfüllung eines ganz großen Wunschs: „Ich bin überglücklich, dass das funktioniert.“ Fernweh plagt ihn schon länger. Vor allem im Winter, wenn die Kälte seinen Körper zusätzlich belastet.
Dann geht es los: Begleitet von Austrian Airlines-Mitarbeitern wird Florian über eine Laderampe und ein Tragetuch in den Flieger gebracht, sein Rollstuhl im Frachtraum verstaut. Florian wirkt weniger nervös, mehr angespannt und voller Vorfreude. Augenblicke später sitzt er auf seinem Platz. Mutter Renate bringt das Beatmungsgerät, die Ersatz-Akkus und das weitere Equipment in Position. „Jetzt kann nichts mehr schief gehen“, lächelt sie. Und so war es auch.
In Bangkok angekommen, fuhren die Kendls mit einem Bus ins vier Stunden entfernte Hua Hin. Von ihrem barrierefreien Apartment erkundete Florian mit seinen Eltern die folgenden zwei Wochen Land und Leute. Neben den Tagesausflügen auf den „Monkey Mountain“, war es sogar möglich, am Strand in der Nähe von Kao Takiap mit dem Rollstuhl beinahe bis ans Wasser zu fahren. „Es war für mich ein einzigartiges Erlebnis. Die zwei Wochen in Thailand waren so, wie ich es mir vorgestellt habe. Nach langem Warten ist der Traum jetzt in Erfüllung gegangen“, war Florian bei seiner Ankunft begeistert.
Kurz bevor Florian die Heimreise antritt, wird der sonst so lockere junge Mann ernst: „Es ist wichtig, dass es diesen Flug gegeben hat. Behinderte dürfen genauso wenig diskriminiert werden wie sonst wer. Auch wir müssen die Möglichkeit bekommen, unser Leben voll auskosten zu können.
Infokasten: Die Hürden
Nach einem halben Jahr Arbeit darf Iris Edlmayr ihren Erfolg in vollen Zügen genießen. Ihr Reisebüro „ReiseMeer“, das sich auf barrierefreie Urlaube spezialisiert hat, schaffte in Kooperation mit den Austrian Airlines, einen Tetraplegiker mitsamt Beatmungsgerät auf einem Langstreckenflug zu befördern. „Wir waren sehr lange mit Austrian Airlines in Kontakt, bis wir die Genehmigung erhalten haben. In unzähligen Testverfahren betreffend Sauerstoffversorgung, Elektronik und Logistik haben wir es schlussendlich geschafft, dass jegliche Gefahr – sowohl für Florian, als auch für die anderen Passagiere – auszuschließen ist“, so Edlmayr. Florians Flug von Wien nach Bangkok ist somit wegweisend für alle Tetraplegiker, die ebenfalls die weite Welt erkunden möchten.
Weitere Infos unter: www.reisemeer.at.