DÜNNE HAUT

Kunst aus dem Offenen Atelier St. Hedwig-Krankenhaus

von: Berliner Behindertenzeitung

xxGalerie ART CRU Berlin zeigt Malerei und Zeichnung von Belhe Zaimoglu (belruby) und Fotografie von Michael Behrens. Beide Künstler arbeiten im Offenen Atelier St. Hedwig- Krankenhaus.

Die sehr persönlichen Arbeiten von Belhe Zaimoglu gewähren Einblicke in Innenwelten, die im Alltag oft verborgen bleiben. Die Künstlerin kombiniert eine schonungslose Offenheit mit grafischer Verspieltheit. Ein Bild zeigt eine weibliche, halbnackte Person, nur bedeckt von einem „Schleier“ aus losen bunten Linien, der sich langsam auf einer Seite zu lüften beginnt. Ein anderes zeigt eine Person deren Haut wie durchsichtig erscheint und unter der transparenten Oberfläche ein feines, quirliges Nerven-Netz erkennen lässt. Ein drittes Bild zeigt einen Frauenkopf mit vier Pupillen in den Augen – gehalten in hellen Gelb-, Orange-, und Lilatönen, die für Zaimoglu charakteristisch sind – auf dem Hintergrund eines, in Handschrift durchnummerierten, Kalenderblattes. Die Künstlerin wurde 1966 als Kind türkischer Eltern in Deutschland geboren. Ihre Arbeiten zeugen von einer ereignisreichen und teils schmerzhaften Biografie: Hin- und hergerissen zwischen den Kulturen; Arbeit als Bankangestellte in Ankara; später als ausgebildete Schauspielerin erfolgreich auf deutschen Bühnen, bis sie die Krankheit zum Aufhören zwingt. Heute ist sie Künstlerin, die ihre eigenen Befindlichkeiten in der Malerei zum Thema macht und in einem Mix aus eigenen Techniken und Malverfahren ihre Geschichte aufs Papier bringt.

xMichael Behrens (geb. 1948, Bonn) ist gelernter Fotograf und arbeitete viele Jahre in diesem Bereich bevor er 1989 nach Berlin zog. Seit 2011 im Offenen Atelier, fertigte er dort in seiner Anfangszeit als Maler lange Zeit ornamentale Bilder. Spontan wendete sich der bislang öffentlichkeitsscheue Künstler erneut seiner Profession zu und begann im letzen Jahr mit der Ablichtung seiner eigenen Röntgenbilder. Entstanden ist ein außergewöhnliches künstlerisches Experiment, das die eigene Körperlichkeit und ihre mediale Abbildbarkeit thematisiert und durch eine langjährige Faszination für Werk und Lehre des Fotografen Andreas Feininger geprägt ist. Die Röntgenbilder wurden von Behrens vor die Fenster des Atleliers geklebt, dann von ihm fotografiert. Die lichtdurchlässige Beschaffenheit der medizinischen Aufnahmen erlaubt es dem Künstler die Umgebung (Bäume, Krankenhausgebäude) facettenhaft auf den neu entstehenden Fotos einzufangen. Die durchleuchteten Beckenknochen, Rippen und Schädel werden so zu multimedialen Memento Mori, zu Abbildern von Abbildern, die dem Betrachter Rätsel aufgeben. Sie sind eine einzigartige Kombination aus verschiedenen Blickwinkeln, medizinischer und fotografischer Technik, sowie Gedanken und Körper des Künstlers.

xxxGalerie ART CRU Berlin ist seit 2008 Berlins einzige Galerie für so genannte Outsider Art. Dieser Begriff (1972 von Roger Cardinal als Synonym des 1945 vom Maler Jean Dubuffet geprägten Terminus „Art Brut“ eingeführt) bezeichnet die Kunst von Menschen mit Psychiatrie Erfahrung oder geistigen Behinderungen. Wir sind davon überzeugt, dass die besondere Wahrnehmung dieser Künstler sich in einzigartigen Kunstwerken von hoher Authentizität darstellt. Mit unseren Ausstellungen präsentieren wir Arbeiten von „Außenseitern“ als wichtigen Teil der Gegenwartskunst und wollen so einen aktiven Diskurs mit dem etabliertem Kunstbetrieb anregen. Im Kunsthof in der Oranienburger Straße gelegen, bringt die Galerie Werke von Menschen mit besonderem Erleben mitten in die Berliner Kunstszene. Träger der gemeinnützigen Galerie ART CRU Berlin ist der Verein PS-Art e.V. Berlin, ein Netzwerk aus verschiedenen psychosozialen Institutionen. Initiatorin des Projektes, Leiterin der Galerie und 1. Vorsitzende des Vereins ist Alexandra von Gersdorff-Bultmann.

Zum fünfjährigen Jubiläum der Galerie ist eine Chronik erschienen, in der die Ausstellungskataloge von 2008-13 enthalten sind. 2014 konnte die Galerie erstmals an der Outsider Art Fair in Paris teilnehmen, der weltweit wichtigsten Messe für Außenseiter-Kunst. Im selben Jahre wurden 5 Künstler aus dem Netzwerk des PS-Art e.V. Berlin für den internationalen Kunstpreis Euward nominiert.