Schon lange hat mein Mann davon geträumt, diese obgleich ihrer wechselvollen Vergangenheit sehr geschichtsträchtige Stadt Danzig zu besuchen. Im August 2015 war es endlich soweit. Über seinen Geburstag buchte ich einen viertägigen Pauschaltrip in die polnische Hansestadt. Als Transportmittel haben wir trotz der räumlichen Nähe zu Berlin das Flugzeug gewählt, da es nur eine einzige Direktverbindung mit dem Zug von Berlin nach Danzig gibt (alle anderen Verbindungen sehen mindestens einmal Umsteigen in Warschau vor) und auch diese Direktverbindung dauert immerhin gut sechs Stunden, während man mit dem Flugzeug in knapp 50 Minuten da ist. Glücklicherweise haben wir auch günstige Flugzeiten erwischt: Abflug früh morgens in Berlin Tegel und Rückflug am Abend in Danzig, so dass wir sowohl den An- und Abreisetag noch für unsere Erkundungen fast komplett nutzen konnten. Pünktlich an einem Montag morgen ging es also los. Der Flug verlief – abgesehen von einigen Ärgernissen und Diskussionen bezüglich der Mitnahme des elektrischen Rollstuhls meines Mannes im Vorfeld mit der Fluggesellschaft, was sich schlussendlich aber zum Guten gewendet hat – Hartnäckigkeit zahlt sich eben aus – der Rollstuhl durfte mit! – problemlos, so dass wir pünklich am Lech Walensa Flughafen in Danzig ankamen. Von dort ging es mit dem öffentlichen Linienbus, der über eine ausklappbare Rampe verfügte, in die Stadt. Unser Hotel, das Hilton Danzig, lag direkt am Ufer der Mottlau und war nach nur kurzem Suchen und Fragen relativ schnell gefunden. Wir checkten ein und bekamen das vorreservierte barrierefreie Doppelzimmer zugewiesen. Nach kurzem „Frischmachen“zogen wir los, um die nähere Umgebung zu erkunden. Der Tag war ja noch jung. Da Danzig aufgrund seiner Größe relativ überschauhbar und unser Hotel sehr nah am Zentrum lag, unternahmen wir in der Innenstadt alle Wege zu Fuß. Am Ufer der Mottlau entlang gehend, konnten wir uns sehr gut orientieren. Wir waren beeindruckt, wie schön die einst im Krieg sehr stark zerstörte Altstadt von den Polen wieder aufgebaut worden ist. Heute erstrahlt sie in neuem Glanz und ist ein echtes Juwel unter den europäischen Städten: die schönen Stadttore, das weltberühmte Krantor (das Postkartenmotiv schlechthin), die wunderbaren Fassaden der alten Hansehäuser, die Frauengasse, die Langgasse, das Rathaus (welches leider nicht barrierefrei und damit für Rollstuhlfahrer nicht zu besichtigen ist) und die wunderschönen Kirchen, allen voran die Marienkirche, in der wir an einem Abend ein wunderschönes Orgelkonzert erleben durften. Ein wahrer Genuß für die Sinne! Positiv auch, dass die Hauptfußgängerzone, die Langgasse, anders als leider in vielen deutschen Fußgängerzonen, nicht von den üblichen Handelsketten dominiert war. Dort fanden sich vielmehr viele kleine Einzelhandelsgeschäfte wieder, in der man schöne Souvenirs erwerben konnte, allem voran natürlich Bernstein in allen nur denkbaren Ausprägungen. Die großen Ladenketten hingegen waren in den großen Einkaufszentren, außerhalb des historischen Zentrums, vertreten. Insgesamt war die Stadt, vom Kopfsteinpflaster mal abgesehen, relativ gut mit dem Rollstuhl befahrbar, jedoch mit einigen Abstrichen. Aufgrund der historischen Bausubstanz waren nicht alle Geschäfte und Restaurants mit Rollstuhl zugänglich, aber da im August draußen noch annehmbare Temperaturen herrschten, konnten wir bei unseren kulinarischen Ausflügen noch die Außengastronomie – soweit vorhanden – nutzen, ansonsten waren eben helfende Hände gefragt. Die polnische Küche ist zwar deftig, aber sehr lecker und nicht zu verachten. Der Genuss des Goldwassers, einem Likör mit Blattgold, welcher zwar immer mit Danzig in Verbindung gebracht wird, auch wenn er gar nicht aus Danzig stammt, durfte natürlich nicht fehlen und wurde auch als Mitbringsel für die Lieben daheim gekauft, ebenso wie Bernsteinschmuck – überall in der Stadt reihte sich ein Bernsteinschmuckladen an den anderen.
Aber natürlich wollten wir auch abseits der Innenstadt noch einiges sehen. So unternahmen wir an einem Tag einen Ausflug in die Nachbarstadt Zoppot, einem Seebad an der polnischen Ostseeküste, welches neben Danzig und Gdingen einen Teil der sogenannten „Dreistadt“ bildet. Mit dem Vorortzug war man vom Danziger Hauptbahnhof in knapp 20 Minuten da. Positiv hervorzuheben ist, dass jeder Zug über eine Rampe verfügte, entweder zum anlegen oder zum ausklappen, beides wurde vom Zugpersonal erledigt. Ebenso positiv, dass die Fahrt nach Zoppot spontan und ohne Voranmeldung erfolgen konnte. So konnten wir einen herrlichen Tag frische Meeresluft schnuppern.
In Danzig zurück, beschloss mein Mann auf eigene Faust einen Ausflug nach Langfuhr zu machen, wo der deutsche Schriftsteller Günther Grass geboren und aufgewachsen ist, während ich – ganz typisch Frau :-) – eine Shoppingtour in der Innenstadt machte (was für einen Mann wirklich langweilig sein kann). In Langfuhr, einem bürgerlichen Vorort der Stadt, so berichtete er später stolz, hat er neben Grass‘ Geburtshaus auch seine Taufkirche und seine Schule gesehen.
Zum Abschluss unseres Kurztrips – in der Kürze der Zeit war es beileibe nicht möglich, alle Sehenswürdigkeiten von unserer „To Do“ Liste zu besuchen, so auch nicht die berühmte Westerplatte, die spätestens bei unserem nächsten Besuch auf der Agenda steht (die älteren aber auch die geschichtsinteressierten Leser wissen sicherlich, dass an diesem Ort der Zweite Weltkrieg begonnen hat) – stand fest: „wir kommen wieder“.
Gesagt und beschlossen – bei einem gemeinsamen Abschlusskaffee im Mühlencafe in einem romantischen Fachwerkhaus am Wasser, kurz vor unserem Aufbruch zum Flughafen. Nicht nur um unsere Liebe, sondern auch die gemeinsame Liebe zu dieser wunderschönen Stadt zu besiegeln, fand auch unser Liebesschloss mit unseren Initialen an der dortigen Brücke seinen Platz…
…wohlweislich und wie zum Beweis, dass nicht nur nur mein Mann, sondern auch die Stadt Danzig ein großer Schatz ….
Ein Besuch in Danzig
von: Rafaela Giese