Im Jahr 2009 wurde vom Senat das Programm „Schwerbehinderten-Joboffensive Berlin 2010“ (SchwoB 2010) aufgelegt. Einer der Schwerpunkte war, Betriebe des Allgemeinen Arbeitsmarktes zu motivieren, Schwerbehinderte einzustellen, die bisher in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) beschäftigt wurden und die selbst interessiert waren, auf dem „normalen“ Arbeitsmarkt zu arbeiten.
Ein Programm,
- das erstmals eine 5-Jahres-Perspektive eröffnete,
- das den Betrieben eine finanzielle Absicherung für ihr Sozialengagement gewährte,
- das sowohl bei den Betrieben wie auch bei den Beschäftigten mit Behinderung die Erwartung weckte, dass nach den 5 Jahren eine Weiterbeschäftigung möglich sein könnte.
55 Personen aus Werkstätten nutzten diese Möglichkeit. Die 5-Jahres-Förderung läuft jetzt aus. Wie ist deren Chance auf dem 1. Arbeitsmarkt?
Geringe Nachhaltigkeit
Die BAG Integrationsämter der Bundesrepublik haben festgelegt: Ein leistungsgeminderter Arbeitnehmer muss mindestens 50 Prozent der arbeitsvertraglich geforderten Leistung erreichen, um dauerhaft gefördert zu werden. Ist zu erwarten, dass ein Mitarbeiter mit Schwerbehinderung diese 50 Prozent Leistungen erreichen kann? Jemand, der vorher in einer WfbM beschäftigt wurde und der mehrere Überprüfungsprozesse seiner WfbM-Eignung über sich ergehen lassen musste? Selbst nach 5 Jahren Förderung dürfte das nur eine Ausnahme darstellen. Das heißt: Ein wirtschaftlich arbeitendes Klein- bzw. mittleres Unternehmen (KMU) muss realistisch betrachtet diese leistungsschwächeren Mitarbeiter jetzt entlassen.
Das hätten die Initiatoren des Programmes SchwoB 2010 wissen können. Von Nachhaltigkeit sind also nur geringe Spuren erkennbar. Dazu kommt die Erhöhung des Mindestlohnes auf 8,50 € / Std., von der die Mitarbeiter mit Behinderungen ja wohl nicht ausgenommen werden dürfen.
Die Bundesländer Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gehen mit dem Programm „Budget für Arbeit“ einen anderen Weg. Dieses Programm hat generell betrachtet einen ähnlichen Ansatz. Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied:
Das Programm SchwoB 2010 gewährte engagierten Betrieben eine zeitlich befristete „Prämie“ in der Hoffnung, dass die Personen mit Behinderung ihre Leistungen entsprechend steigern können.
Das „Budget für Arbeit“ bietet eine „Eingliederungshilfe“ für Personen mit Einschränkungen: Der überörtliche Sozialhilfeträger (§ 97 SGB XII) eröffnet Menschen, die bisher in einer WfbM gearbeitet haben, die Möglichkeit der Nutzung des Persönlichen Budgets (§ 17 SGB IX) zur Erleichterung der Eingliederung auf dem Ersten Arbeitsmarkt. Das heißt: Bis zu 80 Prozent Minderleistungen werden finanziert.
Damit stehen die Menschen im Mittelpunkt; sie haben eine gesetzliche Grundlage und sind weniger vom Wohlwollen oder zeitlich befristeten Programmen abhängig. (Dieser Ansatz verwirklicht so einen wesentlichen Punkt der UN-Behindertenrechtskonvention.)
Aber selbst unter finanziellem Gesichtspunkt bedeutet die Verlagerung auf den überörtlichen Sozialhilfeträger eine wesentliche Einsparung für die Gesellschaft: Platzgelder, Investitionen und Betriebskosten für die Werkstätten verringern sich, Steuern und Sozialabgaben, inklusive Arbeitslosen- und Rentenversicherung, werden abgeführt.
Arbeitslosigkeit droht
Natürlich ist völlig einsichtig, dass derartige Überlegungen eine längere Zeit der Umsetzung im Gesetzgebungsprozess benötigen. Allerdings läuft nun das Programm SchwoB 2010 in den nächsten Monaten aus. Dann steht mindestens ein großer Teil der 55 Mitarbeiter vor dem Übergang in die Arbeitslosigkeit, beziehungsweise vor der (unklaren) Wiederaufnahme in eine WfbM.
Hier muss dringend eine Lösung gefunden werden, um den Mitarbeitern mit Behinderungen und insbesondere auch den KMU eine Perspektive zu bieten.
Erschwerend kommt dazu, dass die KMU in keiner Programmbeschreibung und in keinem Zuwendungsbescheid darauf hingewiesen wurden, dass diese Arbeitnehmer in den 5 Jahren der Prämienzahlung auf ein Mindestleistungsniveau von 50 Prozent regulärer Arbeitskräfte gebracht werden müssen!
Über den Autor: Siegfried Zoels ist Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission und Geschäftsführer der Zweckbetriebe Tischlerei und Schneiderei von Fördern durch Spielmittel e.V.(1. Arbeitsmarkt). Beiden Betriebe wurden 2014 mit dem Hermann-Schmidt-Preis für innovative Berufsausbildung ausgezeichnet