Frauenbeauftragte in Einrichtungen: Von der Idee zum Erfolgsmodell

von: Berliner Behindertenzeitung

Das Projekt „Frauenbeauftragte in Einrichtungen. Eine Idee macht Schule!“ im Weibernetz e.V. feiert am 31. August 2016 im Rahmen eines Fachtags in Berlin seine Erfolgsgeschichte, die vor 12 Jahren begann.

Damals gab es von Frauen mit Lernschwierigkeiten die Forderung nach Frauenbeauftragten in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Von 2008 bis 2011 erprobten Weibernetz e.V. und Mensch zuerst e.V. in einem Pilotprojekt die Schulung für die ersten Frauen mit Lernschwierigkeiten zu Frauenbeauftragten. Das Projekt war begleitet von Fragen wie: Können Frauen mit Lernschwierigkeiten die Aufgabe einer Frauenbeauftragten ausführen? Braucht es überhaupt Frauenbeauftragte in Werkstätten und Wohneinrichtungen? Die Praxis zeigte: Ja!

Die Ausbildung und Arbeit der ersten Frauenbeauftragten waren so positiv in der Praxis und das Interesse am Thema so groß, dass ab 2013 die Ausbildung von Trainerinnen zur Schulung von Frauenbeauftragten begann.

Schließlich wird voraussichtlich am 1. Januar 2017 die neue Werkstätten-Mitwirkungsverordnung in Kraft treten, die Frauenbeauftragte in allen Werkstätten für behinderte Menschen festschreibt.

„Inzwischen gibt es ca. 80 amtierende und aktuell in Ausbildung befindliche Frauenbeauftragte und 20 Trainerinnen-Tandems für Frauenbeauftragte aus 10 Bundesländern“, freut sich die Projektkoordinatorin im Weibernetz e.V. Ricarda Kluge. „Frauenbeauftragte tragen wirkungsvoll zur Gewaltprävention in Einrichtungen bei und stärken die betroffenen Frauen, indem sie Ansprechpartnerinnen auf Augenhöhe sind“, erklärt Ricarda Kluge.

Die meisten der Frauenbeauftragten und Trainerinnen nehmen am heutigen Fachtag teil. Insgesamt folgten dem Aufruf zum Fachtag 200 Teilnehmerinnen aus ganz Deutschland. Ein bunt gemischtes Publikum aus Politik, Wissenschaft, dem Hilfesystem Gewalt gegen Frauen, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Frauenbeauftragten aus Einrichtungen interessiert sich für die Zukunft von Frauenbeauftragten in Werkstätten und Wohneinrichtungen. Neben Praxisberichten aus dem Weibernetz-Projekt wird auf dem Podium diskutiert, wie Frauenbeauftragte gut arbeiten können. In Arbeitsgruppen werden spezielle Sachthemen vertieft, in denen es z.B. um den Umgang mit Gewalt geht oder die Situation von Frauenbeauftragten mit psychischen Beeinträchtigungen.

Der Fachtag wird komplett in Leichter Sprache gehalten. Denn sowohl bei den Vorträgen, als auch auf dem Podium und in den Arbeitsgruppen wird jeweils im Tandem mit Frauen mit Lernschwierigkeiten gearbeitet. Das ist eine wichtige Prämisse im Weibernetz e.V. Beide Projekte im Weibernetz e.V. wurden getragen von dem Prinzip „Nichts über uns ohne uns!“ Im Projektteam arbeiten neben der Projektkoordinatorin und einer Mitarbeiterin zwei Kolleginnen mit Lernschwierigkeiten und ihre Unterstützerin. Gemeinsam wurden Konzepte und Schulungsmaterialien erarbeitet, Schulungen durchgeführt, Vorträge gehalten, Artikel geschrieben, Frauenbeauftragte beraten etc. „Ohne die Mitarbeit der Kolleginnen mit Lernschwierigkeiten wären die Projekte gar nicht möglich gewesen“, erläutert Ricarda Kluge. „Denn sie wissen, wie der Alltag in Werkstätten und Wohneinrichtungen aussieht und wo Frauen der Schuh drückt. Außerdem sind sie die Expertinnen für Leichte Sprache.“

Im Rahmen des Projekts wurden diverse Broschüren in Leichter Sprache herausgegeben. Zum Abschluss des Projekts folgt noch ein Schulungsordner zur Ausbildung von Frauenbeauftragten in Einrichtungen sowie ein Lehrplan für die Ausbildungen.

Weibernetz e.V. ist ein bundesweiter Verein der Selbstvertretung von Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigung.

Im Projekt „Frauenbeauftragte in Einrichtungen. Eine Idee macht Schule!“ wurden von 2013 bis 2016 Trainerinnen-Tandems zur Schulung von Frauenbeauftragten in Einrichtungen ausgebildet. Die Trainerinnen-Tandems setzen sich jeweils aus einer Expertin mit Lernschwierigkeiten und einer Fachfrau aus der Beratung zusammen. Insgesamt wurden 20 Trainerinnen-Tandems aus 10 Bundesländern ausgebildet. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein haben sich finanziell am Projekt beteiligt. Das Projekt endet am 30. September 2016.