Gesellschaftliche Teilhabe: Weshalb ein Bundesteilhabegesetz notwendig ist

von: Felix Tautz

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Die Voraussetzungen, behinderten Menschen eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sind noch lang nicht gegeben.

Vom politischen Establishment werden in diesem Zusammenhang gerne Begriffe wie Barrierefreiheit, Inklusion oder Hilfen zur beruflichen und sozialen Eingliederung  bemüht. Doch oft ist es mit der gesellschaftlichen Teilhabe nicht weit her.
Allein schon die Verortung der Eingliederungshilfe, nämlich im zwölften Sozialgesetzbuch, zeigt, welchen Stellenwert diesen Teilhabeleistungen (noch) zukommt. Es handelt sich nämlich nach der aktuellen Gesetzeslage um Sozialleistungen, die grundsätzlich nachrangig und unter Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen gewährt werden.

Leben auf Sozialhilfeniveau

Diese Einordnung hat automatisch zur Folge, dass ein Mensch nur allein deshalb ein Leben auf Sozialhilfeniveau führen muss, weil er behindert ist. So sind von dem Leistungsempfänger regelmäßig das vorhandene Einkommen und Vermögen bis zu einer Grenze von 3200 € vorrangig einzusetzen, um den Hilfebedarf zu decken. Einem berufstätigen Behinderten beispielsweise, der sehr hohen Assistenzbedarf hat, wird dadurch die Möglichkeit genommen, für das Alter vorzusorgen oder sich ökonomisch auf sichere Beine zu stellen.
Wie nicht zuletzt durch ein Gutachten der juristischen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin belegt, ist jedoch eine Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei der Eingliederungshilfe verfassungswidrig. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention, welche das Menschenrecht auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen festschreibt, ist eine Änderung der Gesetzeslage mehr als überfällig.
Obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention  nunmehr seit Dezember 2009 Bundesgesetz ist, scheiterten die Anstrengungen, eine Gesetzesänderung herbeizuführen, bislang am politischen Willen.

Politik ist gefordert

Auf der politischen Bühne hat allein DIE LINKE durch das Einbringen entsprechender Gesetzesentwürfe, zuletzt 2011 durch den Entwurf eines Teilhabesicherungsgesetzes (ThSG), versucht, diesen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Das Forum Behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) hat im Mai 2013 einen Entwurf des Gesetzes zur sozialen Teilhabe (GsT) vorgelegt. Kern dieser Gesetzesänderung soll sein, dass die in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschriebenen Grundsätze, welche sich im Übrigen zum Großteil auch im SGB IX wieder finden, nicht durch entgegenstehende Leistungsgesetze ausgehöhlt werden. In dieselbe Richtung zielt die Forderung des Deutschen Behindertenrates, welcher für die jetzige Legislaturperiode ein Bundesleistungsgesetz fordert, welches die „volle und wirksame Teilhabe aller Menschen mit Behinderung“ gewährleisten soll.

Abschied vom Fürsorgesystem

Man sieht, die Anstrengungen eine Änderung der Gesetzeslage herbeizuführen, sind vielseitig. Doch was bleibt letztlich davon im Regierungsprogramm übrig? Und was wird auch wirklich umgesetzt?
Eines dürfte klar sein, solange keine einheitliche Regelung auf Bundesebene geschaffen wird, werden die Kostenträger, die Städte und Gemeinden, nach Haushaltslage und somit oft zu Ungunsten des Antragstellers entscheiden.
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag zumindest schon einmal einen gewissen Änderungsbedarf erkannt und sich zur Aufgabe gemacht: „Menschen mit und ohne Behinderungen sollen zusammen spielen, lernen, leben, arbeiten und wohnen.“ Sie sollen „in allen Bereichen des Lebens selbstverständlich dazu gehören“. Die Eingliederungshilfe soll aus dem bisherigen Fürsorgesystem herausgeführt und „zu einem modernen Teilhaberecht“ weiter entwickelt werden. Ferner soll die Einführung eines Bundesteilhabegeldes geprüft werden.
Das klingt zunächst einmal recht viel versprechend. Auf den ersten Blick. Denn bei genauerem Hinsehen wird klar, dass dieses Vorhaben nur eingeschränkt umgesetzt werden soll, nämlich für „die Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung“ in ihrer Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt sind. Dies zeigt, dass die Bundesregierung den dynamischen Behinderungsbegriff der UN–BRK, der schon per Definition keine Abstufung in Form und Grad der persönlichen Beeinträchtigung kennt, offenbar (noch) nicht verstanden hat.

Was zu hoffen bleibt

Zudem steht die Einführung besagten Bundesteilhabegeldes unter einem Finanzierungsvorbehalt. Die „Einbeziehung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen“, auf die der Koalitionsvertrag bei seinen Reformbekundungen verweist, bedeutet im Klartext nichts anderes, als dass sich bis  zur Neuregelung des Länderfinanzausgleichs erstmal nichts bewegt – also jedenfalls bis 2016.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die unternommenen Anstrengungen der Behindertenbewegung in einer adäquaten politischen Umsetzung niederschlagen und dass der Leitgedanke „Nicht über uns ohne uns“, womit sich auch der Koalitionsvertrag schmückt, kein bloßes Lippenbekenntnis bleibt.