Häusliche Kinderintensivpflege

von: Berliner Behindertenzeitung

people-28798

Auch viele Kinder brauchen Pflege, manche sogar intensive Pflege

Veranstaltet von der Interessengemeinschaft häusliche Kinderkrankenpflege e. V., fand kürzlich der zweite Pfleg mich – Kongress für die häusliche Kinderintensivpflege statt.

 

Erklärtes Ziel dieser Veranstaltung war es zum einen, die an der Pflege von intensivpflichtigen Kindern Beteiligten zusammenzuführen und ihnen einen geeigneten Rahmen zu bieten, um sich zu informieren, weiterzubilden und zu vernetzen, zum anderen, interessantes Know-How von Experten mit den langjährigen Erfahrungen von Pflegenden zu verbinden.

Themen des Pfleg mich-Kongresses

Themen dieses Kongresses waren das seit 2013 gültige Pflege-Neuausrichtungsgesetz mit seinen neuen gesetzlichen Vorgaben, die Auswirkungen verschiedener chronischer Erkrankungen auf Kinder, Erfahrungen mit bestimmten Formen des so genannten Ernährungsmanagements, also der Durchführung bestimmter Diäten mit Kindern, die Situation von Eltern mit einem so genannten Intensivkind, die spezialisierte ambulante Palliativversorgung für Kinder hier in Berlin, Möglichkeiten der Bewegungsunterstützung für Kinder mit einem Handicap zuhause, Musik und Humor in der Pflege, die „gesunde Kommunikation“ von Pflegedienstleistern mit Patienten und Mitarbeitern und anderes.

Elternselbsthilfeverein Intensivkinder zuhause e. V.

Frau Swantje Rüß stellte diesen Elternselbsthilfeverein aus Hamburg vor, in dem sich bundesweit Eltern schwerstpflegebedürftiger Kinder zusammengetan haben, um sich gegenseitig zu helfen und den Alltag rund um ein schwerstpflegebedürftiges Kind zu erleichtern. Sie beschrieb den Alltag der Eltern dieser Kinder als eine ständige Auseinandersetzung: um die bestmögliche medizinische Versorgung, die Kostenübernahme durch Kranken- und Pflegekassen oder andere Kostenträger, mit den Ämtern und vor den Gerichten, im Hinblick auf die häusliche Versorgung und die Finanzen, innerhalb der Familie und nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Annahme des eigenen Schicksals durch die Eltern und die Kinder.

Problem Mangelernährung

Bedeutsam war auch der Hinweis darauf, dass offenbar gerade bei behinderten Kindern, für die eine bedarfsdeckende Zufuhr aller notwendigen Nährstoffe sehr wichtig ist, oft eine Mangelernährung festgestellt wird. Denn Störungen der Motorik, der Appetitregulation und der Kommunikation können bei Kindern mit einer Behinderung zu Essstörungen und in der Folge dessen zu einer Mangelernährung führen. Wenn Kinder schlecht kauen oder schlucken können, sind die Eltern durch die Dauer der einzelnen Mahlzeiten immer wieder allzu sehr beansprucht, reicht die Nahrungsmenge aber dennoch oft nicht aus. Und fehl- bzw. unterernährte Kinder haben häufiger Infekte und sind mitunter auch im Hinblick auf ihre geistige Entwicklung beeinträchtigt.

Das Pflegeneuausrichtungsgesetz

Thema war natürlich auch das so genannte Pflegeneuausrichtungsgesetz, mit dem ab 2013 unter anderem die Leistungen für (ambulant und teilstationär versorgte) demenzkranke Menschen und ihre Angehörigen verbessert werden. Dessen Umsetzung verläuft aber bisher offenbar noch schleppend, soweit vertragliche Vereinbarungen oder Absprachen auf Landesebene bzw. zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern erforderlich sind. Im Hinblick auf Pflegeleistungen für Kinder gelten dieselben Kriterien bei der Ermittlung des Hilfebedarfs wie bei Erwachsenen; allerdings wird bei Kindern bis zum Alter von 10 Jahren eine bestimmte Zeitmenge dafür abgezogen, die dem natürlichen Hilfebedarf eines gleichaltrigen gesunden Kindes entsprechen soll. Bei Kindern mit einem auf Dauer bestehenden „erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung“, bei so genannter „Einschränkung der Alltagskompetenz“ besteht ein Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen, wenn dieser entsprechend durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen festgestellt und festgesetzt worden ist. Interessant vielleicht auch, dass pflegende Angehörige leichteren Zugang bei anstehenden Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen erhalten sollen, dass es leichter möglich sein soll, seinen pflegebedürftigen Angehörigen in die Kur- oder Rehaeinrichtung mitzunehmen, dass auch ein Anspruch auf Kurzzeitpflege bei diesen Maßnahmen besteht, wenn eine gleichzeitige Unterbringung und Pflege der oder des Pflegebedürftigen erforderlich ist. Probleme bringe die Pflegereform aber wohl für die ambulanten Pflegedienste mit sich: Denn für diese erhöhe sich voraussichtlich der Verwaltungsaufwand, so dass ihnen auch Umsatzeinbußen drohen.
Interessant war schließlich auch der Hinweis auf die Bedeutung von Humor in der Pflege, auf die zahlreichen und vielfältigen Möglichkeiten, die es diesbezüglich gibt.
Der dritte Pfleg mich – Kongress soll im kommenden Jahr, am 16. und 17. Mai 2014 stattfinden.

Von Rainer Sanner