Frau Vollbrecht ist seit April 2016 Beauftragte für Menschen mit Behinderung im Bezirk Reinickendorf. Sportlich Interessierte ist Ihr Name ein Begriff. Mit 3:31 h stellte sie 2005 zum ersten Mal den offiziellen Weltrekord, für blinde Sportlerinnen beim Hamburger Marathon auf. Doch über Ihre zahlreichen sportlichen Erfolge soll es nur am Rande gehen. Die BBZ möchte mit Ihr über Ihre Arbeit als Beauftragte für Menschen mit Behinderung sprechen. Das Interview führte Markus Leist.
BBZ: Wie behindertenfreundlich ist Berlin?
Regina Vollbrecht: Diese Frage lässt sich so einfach nicht beantworten. Behindertenfreundlich / Barrierefreiheit ist ein sehr umfassendes Thema, welches sich in vielfältige Bereiche untergliedert. In den zurückliegenden Jahren haben Behindertenverbände, Behindertenbeiräte, die Bezirksbeauftragten und der Landesbeauftragte und andere Institutionen sehr viel erreichen können. So zum Beispiel konnte bei der Gestaltung und dem Neubau von Bahnhöfen und Gebäuden auf Barrierefreiheit geachtet werden, viele Straßen wurden mit blindengerechten Ampeln versehen und Bordsteine abgesenkt. Manchmal gibt es auch Rückschritte. Das zeigt die aktuelle Situation zur Neuausschreibung der City-Toiletten der Firma Wall. So kann und darf es nicht sein, das solch ein bewehrtes Modell abgeschafft und somit eine ungewisse Lage entsteht.
BBZ: Sie sind seit fast einem Jahr im Amt. Was waren Ihre ersten Projekte?
Regina Vollbrecht: An dieser Stelle möchte ich versuchen meine Arbeit zu beschreiben. Kurz nach Aufnahme meiner Tätigkeit habe ich viele Gespräche geführt. Ich sehe einer meiner Aufgaben darin, Ansprechpartner und Vermittler zu sein. Die Vernetzung und der Austausch mit Betroffenen und Fachleuten ist mit ein wichtiges Anliegen. Neben der Reduktion der baulichen Barrieren ist die Bewusstseinsbildung eine wichtiger Schwerpunkt meiner Arbeit. Aus diesem Grund nahm ich an diversen Kultur und Sportveranstaltungen teil. Weiterhin findet auch in diesem Jahr das inklusive Fest statt.
BBZ: Was sind für Sie die wichtigsten Ziele bei der Umsetzung von Barrierefreiheit?
Regina Vollbrecht: Wie meine Arbeit zeigt, ist der Abbau von baulichen Barrieren ein wichtiges Ziel. In den vergangenen Jahren konnten hilfreiche Gesetze und Vorschriften umgesetzt werden. Um nur ein Beispiel zu nennen, die UN-BRK. Das ist ein elementarer Schritt. Doch kenne ich aufgrund meiner Blindheit eigene Beispiele und auch Situationsbeschreibungen aus Beratungsgesprächen, wo immer wieder deutlich wird, das oftmals das Zutrauen in die Fähigkeiten der Menschen mit Behinderung fehlt – hierfür gibt es verschiedene Gründe. Hier halte ich das Ziel der Bewusstseinsbildung für enorm wichtig. Um in einem kleinen Bereich eine Sensibilisierung anzubieten, haben Besucher die Möglichkeit die Ausstellung „Helfer auf vier Pfoten“ vom 03. bis 20.03. im Fontanehaus zu besuchen. Neben einem geschichtlichen Rückblick, können Besucher unter anderem auch mit Führhundhaltern ins Gespräch kommen und anhand eines Simulators ausprobieren, wie es sich anfühlt mich einem Führhund zu gehen.
BBZ: Was davon haben Sie schon umgesetzt?
Regina Vollbrecht: Im baulichen Bereich konnte ich durch meine Stellungnahmen wichtige Hinweise zur barrierefreien Gestaltung geben. Der Bereich der Bewusstseinsbildung, und auch ganz allgemein gesagt, die Schaffung von Barrierefreiheit ist ein stetiger Prozess, der noch jahrelanger Arbeit bedarf.
BBZ: Was erwarten Sie von der Politik, aber auch von den Integrationsämtern. Wie können diese Sie bei der Umsetzung Ihrer Ziele unterstützen
Regina Vollbrecht: Im Bezirk besteht mit der Politik eine gute Zusammenarbeit. Wie bereits erwähnt, existieren vielfältige Gesetze. So wird zum Beispiel eine Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht. Das diese aber für Menschen mit Behinderung trotz der gesetzlichen Reglungen nicht so einfach umzusetzen ist, zeigen die Statistiken. Bearbeitungszeiten von Anträgen auf Hilfsmittel und Arbeitsassistenz müssen sich dringend verkürzen.
BBZ: Was sagen Sie Verantwortlichen, die auf begrenzte Mittel hinweisen?
Regina Vollbrecht: Sicherlich kostet Barrierefreiheit an manchen Stellen viel Geld. Berücksichtigt man diese aber von Beginn an, dann ist sie gar nicht so teuer, wie man denkt. Barrierefreiheit ist aber nicht immer nur auf die Bereitstellung großer Summen an Geld zurückzuführen. Menschen mit Behinderungen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist schon sehr geholfen, wenn (ganz allgemein gesagt) die Bürger sich deren Fähigkeiten bewusst sind, mit ihnen wertschätzend umgehen. Menschen mit Behinderung können nicht immer selbstständig, aber in sehr vielen Fällen selbstbestimmt entscheiden.
BBZ: Was würden Sie gerne in Bezug auf inklusive Gesellschaft in zehn Jahren erreicht haben.
Regina Vollbrecht: Diese Frage möchte ich ganz kurz beantworten. Am schönsten wäre es, wenn bis dahin die Integration und Inklusion gelungen wäre. Inklusion ist erst gelungen, wenn wir sie nicht mehr thematisieren müssten, weil Menschen mit Behinderung inklusiv leben könnten.
BBZ: Frau Vollbrecht, besten Dank für das Interview.