Ein gehörloser Petent wandte sich an die Antidiskriminierungsstelle, weil gegen ihn strafrechtlich ermittelt wurde. Er beantragte einen Pflichtverteidiger nach § 140 II 2 StPO i. V. m. § 141 III StPO.
Nach dieser Vorschrift kann die Staatsanwaltschaft einen Pflichtverteidiger bestellen, wenn nach ihrer Auffassung die Mitwirkung eines Verteidigers im gerichtlichen Verfahren notwendig sein wird. Nach § 140 II 2 StPO ist im gerichtlichen Verfahren ein Strafverteidiger notwendig, wenn ein gehörloser Beschuldigter einen solchen beantragt. Die Antidiskriminierungsstelle bat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz um Stellungnahme, ob die genannten Vorschriften der Strafprozessordnung so auszulegen sind, dass die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren immer einen Pflichtverteidiger bestellen muss, wenn der Beschuldigte gehörlos ist und dies beantragt. Das Bundesministerium für Justiz verneinte dies. Die Staatsanwaltschaft könne beispielsweise dann von der Bestellung eines Pflichtverteidigers absehen, wenn sie – wie auch im an die Antidiskriminierungsstelle herangetragenen Fall – beabsichtigt, nach Abklärung des Anfangsverdachts das Ermittlungsverfahren einzustellen. Eine Pflicht, einen Pflichtverteidiger zu stellen, ergibt sich auch nicht aus Empfehlungen der Europäischen Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen. Nach diesen Empfehlungen sollen die Strafverfolgungsbehörden die Bestellung eines Pflichtverteidigers von der Schwere des Strafvorwurfs sowie der Verfügbarkeit weiterer Unterstützungsangebote abhängig machen. Solch ein Unterstützungsangebot kann die Mitwirkung eines Dolmetschers nach § 186 GVG sein. Gibt es daher ausreichende alternative Unterstützungsmöglichkeiten, beispielsweise durch Hinzuziehung eines Gebärdendolmetschers, kann die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren entbehrlich sein.