Berlin / Rio de Janeiro. Zwölf Jahre waren Sportlerinnen und Sportler mit geistiger Behinderung von den Paralympics komplett ausgeschlossen. Erst in London 2012 durften sie wieder an den Start gehen, doch erneut stehen Betrugsvorwürfe im Raum: Vor den heute beginnenden Paralympics in Rio de Janeiro meldet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, dass es in vielen Ländern Methode sei, die geistige Behinderung von Athleten vorzutäuschen. Dazu erklärt Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages: „Dass wieder Menschen mit geistiger Behinderung unter Generalsverdacht gestellt werden, finde ich unerträglich. Denn es sind ja nicht sie, die betrügen, sondern Menschen ohne Beeinträchtigung.“
Nach Sydney 2000 hatte die Lebenshilfe jahrelang dafür gekämpft, dass Sportler mit geistiger Behinderung wieder bei den Paralympics dabei sein dürfen. Damals war herausgekommen, dass mehr als die Hälfte der spanischen Basketballmannschaft gar keine geistige Behinderung hatte. Den Spaniern wurde Gold aberkannt, und gleichzeitg wurden sämtliche Aktive mit geistiger Behinderung mit einem Bann belegt: Sie durften alle nicht mehr an den Paralympics teilnehmen, in keiner Sportart, für zwölf Jahre.
Mittlerweile hat der Internationale Behindertensportverband Prüfkriterien entwickelt, wonach sich die geistige Behinderung zweifelsfrei nachweisen lassen soll. Ulla Schmidt: „Diese Kriterien gilt es konsequent anzuwenden, damit Betrüger entdeckt und bestraft werden können. Eine pauschale Vorverurteilung darf es nicht mehr geben. Das sind wir den ehrlichen Sportlern, die hart trainiert haben, schuldig.“
Die Lebenshilfe setzt sich als Mitglied von Special Olympics Deutschland für den Breitensport von Menschen mit geistiger Behinderung ein und ermutigt örtliche Turn- und Sportvereine, sich auch für geistig behinderte Sportler zu öffnen. An den Deutschen Behindertensportverband appelliert die Lebenshilfe, verstärkt Talente unter Sportlern mit geistiger Behinderung zu suchen und diese wie körper- und sinnesbehinderte Athleten in Leistungszentren zu fördern. Unter den insgesamt 155 deutschen Teilnehmern in Rio hat nur die Schwimmerin Janina Breuer eine geistige Behinderung. „Das müssen in Pyeongchang im Winter 2018 unbedingt mehr werden, damit sind deutsche Sportler mit geistiger Behinderung deutlich unterrepräsentiert – sie brauchen sportliche Förderung und müssen durch die Nominierung die Chance einer Teilnahme erreichen“, fordert Ulla Schmidt. „Janina Breuer drücken wir von der Lebenshilfe natürlich besonders die Daumen!“