Im Vorfeld der entscheidenden Sitzung der Koalitions-AG zum Bundesteilhabegesetz am 24. November in Berlin hat ein Bündnis von Behindertenverbänden, die sich für ein gutes Bundesteilhabegesetz einsetzen, an die Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD und CSU appelliert, kein Bundesteilhabegesetz zu verabschieden, das Heimeinweisungen und das Zwangspoolen von Leistungen für behinderte Menschen fördert. Ein aktuelles Beispiel aus Freiburg, wo ein behinderter Mann, der seit vielen Jahren in seiner eigenen Wohnung mit entsprechender Unterstützung lebt, seit Monaten vom Sozialamt unter Druck gesetzt wird, sich einen Heimplatz zu suchen, mache deutlich, dass dringend klare gesetzliche Regelungen gegen solche Praktiken nötig sind.
„Mit einer Vielzahl von Protestaktionen und Diskussionen haben zigtausende behinderte und nichtbehinderte Menschen in den letzten Monaten aufgezeigt, dass der vorliegende Gesetzentwurf für das Bundesteilhabegesetz das Wahlrecht behinderter Menschen und damit die Selbstbestimmung massiv einschränkt. Es darf im Zeitalter der UN-Behindertenrechtskonvention schlichtweg nicht sein, dass behinderte Menschen zukünftig durch das geplante ‚Zwangspoolen‘ in Form einer gemeinschaftlichen Leistungserbringung in ihrer Selbstbestimmung beschnitten und ihre Hilfen gegen ihren Willen mit anderen behinderten Menschen teilen müssen. Zudem sei es völlig unakzeptabel, wenn der im Gesetz verankerte Kostenvergleich von Leistungen weiterhin dazu führen kann, dass behinderte Menschen die nötigen Hilfen nicht zu Hause, sondern nur in Wohngruppen oder in einem Heim bekommen“, erklärte die Geschäftsführerin des Behindertenverbandes Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL), Dr. Sigrid Arnade. Das aktuelle Beispiel aus Freiburg zeige, wie schnell man als behinderter Mensch seine Selbstbestimmung verlieren und in ein Heim abgeschoben werden kann. Dies sei kein Einzelfall.
- Link zu einem Bericht der Landesschau Baden-Württemberg über die drohende Heimunterbringung von Dirk Bergen aus Freiburg:Landesschau
- Link zu einem Bericht aus der Badischen Zeitung über die Situation von Dirk Bergen: Badische Zeitung
„Wir appellieren an die Bundestagsabgeordneten, den Gesetzentwurf zum Bundesteilhabegesetz durch entsprechende Änderungsanträge grundlegend so zu überarbeiten, dass behinderte Menschen bzw. diejenigen, die zukünftig behindert werden, selbstbestimmter leben können als heute und keine Verschlechterungen zu den heutigen Regelungen verabschiedet werden. Zudem muss gewährleistet werden, dass die UN-Behindertenrechtskonvention durch das Gesetz so umgesetzt wird, dass behinderte Menschen die Hilfen, die sie brauchen, dort bekommen, wo sie leben wollen und nicht auf aussondernde Einrichtungen verwiesen werden“, erklärte Dr. Sigrid Arnade,
Das Bundesteilhabegesetz soll nach der Einigung in der Koalitions-AG am 24.11. dann am 30.11. im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages behandelt und voraussichtlich am 2. Dezember vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden. Am 16. Dezember berät der Bundesrat über den Gesetzentwurf, dem dieser zustimmen muss. Geplant ist, dass das Bundesteilhabegesetz am 1.1.2017 in Kraft tritt.
Weitere Informationen zur Kampagne für ein gutes Bundesteilhabegesetz gibt’s unter www.teilhabegesetz.org