Die finalen Lehrgänge vor den Paralympics in PyeongChang machen den deutschen Para-Skilangläufern und -Biathleten Mut. „Wir sind bereit“, sagt Bundestrainer Ralf Rombach. Am Sonntag hebt ihr Flieger gen Südkorea ab. Davor wartet ein Date mit dem Bundespräsidenten.
Es waren nicht die besten Voraussetzungen, unter denen die deutsche Nationalmannschaft Para Ski nordisch Ende Januar den Heim-Weltcup von Oberried im Schwarzwald verließ. Nahezu die komplette Mannschaft war körperlich angeschlagen, eine Norovirus-Infektion hatte die meisten Athletinnen und Athleten arg geschwächt. Die Form war dahin, Bundestrainer Ralf Rombach und sein Betreuerteam standen vor einer schweren Aufgabe: die richtige Strategie zu finden, um die Sportler wieder fit zu machen für die Paralympics.
Ein Monat später lässt sich konstatieren: Die Mission war erfolgreich. Fast zwei Wochen lang arbeiteten die deutschen Para-Skilangläufer und -Biathleten im norditalienischen Livigno vor allem im Grundlagenbereich, sammelten fleißig Kilometer auf der Loipe und investierten viel ins Komplextraining. „Das ging richtig zur Sache“, sagt Rombach. Und es zeigte Wirkung. Das belegten auch die Leistungen bei den deutschen Meisterschaften Mitte Februar. Beim anschließenden Lehrgang in Ridnaun (Südtirol) blieb somit reichlich Zeit fürs Individualtraining und die technischen Feinheiten.
In der Ruhe vor dem Sturm genießen die Athleten für PyeongChang gerade noch ein paar Tage Heimaturlaub, am kommenden Sonntag reist die gesammelte Deutsche Paralympische Mannschaft dann von Frankfurt am Main aus nach Südkorea. Mit an Bord sind dann die Schlittenfahrer Andrea Eskau, Anja Wicker und Martin Fleig, die Steher Alexander Ehler und Steffen Lehmker sowie die Sehbehinderten Vivian Hösch, Clara Klug und Nico Messinger samt ihren Begleitläufern Florian Schillinger, Martin Härtl und Lutz Klausmann. Vor dem Abflug wird ihnen noch eine besondere Ehre zuteil: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommt zur Verabschiedung an den Flughafen.
Anschauungsunterricht im Trainingslager
Der Besuch des Staatsoberhaupts verdeutlicht die Bedeutung des Saisonhöhepunkts, auf den die Sportlerinnen und Sportler vier Jahre lang hingearbeitet haben. Und je näher er rückt, desto größer ist die Vorfreude. „Die Atmosphäre im Paralympischen Dorf ist schon ganz besonders“, sagt die Stuttgarterin Anja Wicker, die 2014 in Sotschi das erste Mal dabei war. Von ihrer Zimmerkollegin Clara Klug wurde sie zuletzt mit Fragen gelöchert, doch Wicker wollte der Debütantin aus München nicht zu viel verraten. „Sie soll das alles selbst erleben.“
Durch die Olympischen Spiele stieg die Begeisterung weiter. Gemeinsam fieberten die nordischen Para-Sportler mit ihren nicht-behinderten Kollegen mit, gemeinsam bejubelten sie unter anderem die Erfolge der deutschen Kombinierer und die Biathlon-Goldmedaillen von Laura Dahlmeier und Arnd Peiffer. Steffen Lehmker, Peiffers Vereinskollege vom WSV Clausthal-Zellerfeld, ist vor seiner Paralympics-Premiere vor allem auf die Vielfalt der Spiele gespannt. „Ich möchte möglichst viele Eindrücke von anderen Sportarten und Begegnungen mit anderen Sportlern mitnehmen“, sagt der Niedersachse.
Ob es Rombachs Athleten gelingen wird, zu einer Fortsetzung der jüngsten Erfolgsgeschichte von Team Deutschland beizutragen? Vor vier Jahren holte die für den USC Magdeburg startende Elsdorferin Andrea Eskau je eine Gold-Medaille im Biathlon und im Langlauf, für Anja Wicker gab es überraschend einmal Gold und einmal Silber im Biathlon. Eine Medaillenvorgabe gibt es jedoch vom Bundestrainer nicht. Ihm ist wichtiger, dass seine Starter ihr Leistungsvermögen optimal ausschöpfen. „Wir wollen uns gut verkaufen, sportlich und im gesamten Auftreten als Team“, bekräftigt er.
Acht Tage, 38 Entscheidungen
Deutsche Medaillenkandidaten sind sicherlich erneut Andrea Eskau, die zusätzlich bei Sommer-Paralympics schon viermal Gold mit dem Handbike geholt hat, und Martin Fleig, 2017 Doppel-Weltmeister im Biathlon. Auch Clara Klug und Vivian Hösch wollen beim Kampf ums Treppchen ein Wörtchen mitreden. Bei den meisten Teilnehmern liegt der Fokus auf den Biathlon-Wettkämpfen, insgesamt warten in PyeongChang 38 Entscheidungen. Los geht es mit dem Biathlon-Sprint am Samstag, 10. März, dem Morgen (Ortszeit) nach der Eröffnungsfeier, zum Abschluss gibt es am Sonntag, 18. März, zwei Staffel-Rennen. Lediglich am Donnerstag, 15. März, steht weder ein Langlauf- noch ein Biathlon-Rennen auf dem Programm.
Potenzial, zu Stars der Spiele zu avancieren, haben unter anderem die US-Amerikanerin Oksana Masters in der sitzenden Konkurrenz oder der Franzose Benjamin Daviet und Ekaterina Rumyantseva bei den Stehern. Die Russin gehört einer insgesamt 30-köpfigen Delegation so genannter Neutraler Paralympischer Athleten (NPA) an, denen das Internationale Paralympische Komitee (IPC) trotz der bestehenden Doping-Sanktionen gegen das russische Komitee eine Teilnahme in PyeongChang unter neutraler Flagge gestattet hat. Diese Athleten würden strikte Kriterien erfüllen und hätten sich unter anderem mindestens zwei offiziellen Dopingtests in den vergangenen sechs Monaten unterzogen, heißt es vom IPC. In den nordischen Disziplinen sind einer vom IPC veröffentlichten Liste zufolge zwölf NPA-Starterinnen dabei. Russische Männer fehlen mangels freien Startplätzen im Biathlon und Langlauf.
Quelle: Ben Schieler