Mobilität ist (k)eine Selbstverständlichkeit

von: Nadine Lormis (REHACARE.de)

Bus, Bahn oder doch das eigene Auto? Diese Frage stellen sich viele, die mobil sein wollen oder müssen. Menschen mit Behinderungen fällen diese Entscheidung in der Regel nicht leichtfertig und selten spontan. Denn jedes Verkehrsmittel hat so seine Tücken, wenn es um die unabhängige Mobilität geht. Ein kleiner Überblick.

 

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© Raul Krauthausen

Der Automarkt für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ist definitiv verbesserungsfähig. Davon ist Raúl Krauthausen, Aktivist und Gründer des Berliner Vereins Sozialhelden e.V., überzeugt. „Die Finanzierung von Umbauten im privaten Bereich muss klarer und einfacher geregelt werden, auch in Bezug auf die einzelnen Ämter und ihre Zuständigkeiten“, sagt Krauthausen.

Dass beispielsweise nicht alle Fahrschulen auf Menschen mit Behinderungen eingestellt sind, weiß auch Frank Sodermanns von F. Sodermanns Automobile GmbH in Wassenberg (Nordrhein-Westfalen): „Viele Fahrschulen erwarten von den Fahrschülern ein eigenes umgerüstetes Auto. Das sollte jedoch nicht so sein – die Fahrschulen müssen über die geeigneten Fahrzeuge verfügen.“

Mobil im öffentlichen Nahverkehr

Wenn es nicht das eigene Auto sein soll, greifen in einer fremden Stadt viele Menschen gerne auf ein Taxi zurück, um von A nach B zu kommen. In Deutschland ist es für Rollstuhlfahrer aber fast unmöglich, ein barrierefreies Taxi zu bekommen. „Soweit ich weiß gibt es kaum barrierefreie Taxis in Deutschland. Und wenn, dann auch nur in Großstädten.“

Dass es aber auch anders gehen kann, erzählt Christiane Link im Interview mit REHACARE.de: „Die sogenannten Londoner Black Cabs sind allesamt barrierefrei. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben“, berichtet die in London lebende Journalistin. „Damit ist London die einzige Stadt weltweit, die über eine komplett barrierefreie Taxiflotte verfügt.“

DSC_5915-neuIn Bezug auf die öffentlichen Verkehrsmittel können aber sowohl Link als auch Krauthausen bestätigen, dass besonders Berlin in Sachen Barrierefreiheit weit vorne ist. Beide wissen aus Erfahrung, dass neben den baulichen Verbesserungen auch die Fahrer von Bussen und U-Bahnen sehr zuvorkommend und hilfsbereit sind. „Oft ist es so, dass gerade in den Großstädten die Barrierefreiheit und das Verständnis dafür in den öffentlichen Verkehrsmitteln eher gegeben ist als in kleineren Orten“, berichtet Krauthausen.

Unkomplizierte Fernreisen?

Und wenn es einen in die Ferne zieht? Welche Möglichkeiten bieten Flugzeuge oder auch die immer beliebteren Fernreisebusse? Krauthausen wünscht sich gerade in Bezug auf Flugreisen mehr Selbstverständnis dafür, dass auch Menschen mit Behinderungen bequem und vor allem unkompliziert reisen möchten. „Auf Flügen brauchen Rollstuhlfahrer aber oft eine Begleitperson. Doch warum eigentlich?“, fragt Krauthausen.

Nachdem die Deutsche Bahn und ihr Mobilitätsservice für Rollstuhlfahrer immer wieder in die Kritik geraten, versprechen sich viele Menschen mit Behinderung durch die Fernreisebusse Verbesserungen. Denn seit das Personenbeförderungsgesetz erneuert wurde und damit die Deutsche Bahn keine Monopolstellung mehr auf Langstrecken hat, werden Fernreisebusse immer beliebter. Und das erneuerte Personenbeförderungsgesetz sieht vor, dass alle ab 2016 neu zugelassenen Fahrzeuge barrierefrei sein müssen. Ab 2019 gilt dies für alle eingesetzten Fernreisebusse.

„Bisher ist die Auswahl an rollstuhlgerechten Fahrzeugen in Deutschland allerdings noch stark eingeschränkt“, weiß Timo Hermann von mobilista.eu. „Der ADAC Postbus setzt in einem Modellversuch auf der Linie Berlin-Hamburg derzeit rollstuhlgerechte Fahrzeuge ein. Diese bieten einen Rollstuhlstellplatz neben dem Fahrer und eine Klapprampe.“

Auch die Deutsche Bahn setzt in ihrem Produkt IC Bus auf der Strecke Mannheim-Nürnberg rollstuhlgerechte Fahrzeuge ein. „Der Zugang zur Bordtoilette ist meines Wissens nach derzeit aber bei keinem der Anbieter möglich“, so Hermann weiter. „Dafür sind zumindest beim ADAC Postbus die Fahrer mit einem Euro-Schlüssel ausgestattet, sodass gegebenenfalls ein Halt an Raststätten mit Rollstuhl-Toilette möglich ist.“

Inklusion braucht Mobilität und Barrierefreiheit

Insgesamt sei die Industrie derzeit um Lösungen bemüht und stehe in Gesprächen mit den Fernbuslinien-Betreibern. Konkrete Lösungsansätze fehlen allerdings. Dies liegt vor allem daran, dass die gesetzlichen Vorgaben keine Definition von Mindeststandards liefern. Auch dieser Markt ist also noch ausbaufähig.

Ob am Wohnort oder auf Reisen – für Menschen mit Behinderungen gilt nach wie vor, dass sie sich im Vorfeld genau informieren müssen, welche Gegebenheiten vor Ort vorliegen. Diese sollten dann mit den eigenen Bedürfnissen und den persönlichen Möglichkeiten abgeglichen werden. Eventuell kann oder muss man dauerhaft verschiedene Lösungen kombinieren.

Fest steht: Im Zuge der Inklusion in unserer Gesellschaft muss auch in Sachen Mobilität und Barrierefreiheit noch einiges passieren – sowohl auf den Straßen als auch in den Köpfen.

 

Quelle: Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Rehacare.de