Erste Bausteine des Entwurfs des Mobilitätsgesetzes sind seit dem Sommer veröffentlicht, doch dessen Fortgang und schon jetzt sichtbare Folgen lassen die Skepsis der Mitglieder der Landesseniorenvertretung Berlin wachsen.
„Den im Entwurf formulierten Ansprüchen wäre besser gerecht geworden, wenn von Anfang an Konzepte für alle Verkehrsteilnehmer*innen des Privat- und Wirtschaftsverkehrs parallel und im Dialog mit ihnen erarbeitet würden. Nur Maßnahmen für den Radverkehr separat zu planen und aufzulegen, ist wenig zielführend. Zum Beispiel setzen die immer größeren Kolonnen von Leihfahrrädern Hürden für Fußgänger*innen, von den Auswirkungen auf das Stadtbild und die Sauberkeit durch umher fliegende Werbeschilder ganz abgesehen“, sagt Dr. Johanna Hambach, Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Berlin: „Fahrräder, auch kommerziell genutzt, dürfen im öffentlichen Raum scheinbar überall abgestellt werden, wo keine verkehrlichen Probleme entstehen oder Zugänge blockiert werden. Aber das muss kontrolliert werden und Kontrolle scheint in Berlin rund um das Thema Fahrrad eine besondere Herausforderung zu sein. Zudem ist der Schlängellauf für Fußgänger*innen durch abgestellte Fahrräder auf den Fußwegen, egal ob mit oder ohne Hilfsmittel, mit Einkaufs- oder Kinderwagen, nicht einfach.“
Kritik hat die Landesseniorenvertretung auch am Namen des geplanten Gesetzes: „Mobilität ist mehr als Verkehr. Damit passt der Titel nicht zum avisierten Inhalt. Vor allem bedingt MOBILITÄT ressortübergreifendes Denken und Handeln“, so Frau Dr. Hambach. Die Liste der zentralen Themen und Problemstellungen beim Thema Mobilität im Land Berlin aus Sicht der Interessenvertreter*innen der Senior*innen ist lang (siehe Link Interview vom 13.07.2017 „Selbstbestimmte Mobilität“ http://ü60.berlin/index.php?ka=28&ska=109&idclm=69).
Die Seniorenvertreter*innen erwarten, dass die Dialoge zu dem so genannten Mobilitätsgesetz mit Menschen in unterschiedlichsten Lebensrealitäten geführt werden, deren verschiedene Interessenlagen wahrgenommen und sie entsprechend informiert, mitgenommen sowie die Bedürfnisse und Erfahrungen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Barrierefreiheit und sichere Verkehrswege z. B. sind Themen, die alle Generationen betreffen. „Bei allen Themen der Mobilität gilt es, die Selbstbestimmtheit zu erhalten und zu stärken. Wir erwarten eine enge Abstimmung mit den Bezirken“, betont die Vorsitzende der Landesseniorenvertretung.
Wie wichtig ressortübergreifendes Denken ist, zeigt eine Nachfrage bei der Veranstaltung „Senioren debattieren im Parlament“ am 11.10.2017 im Abgeordnetenhaus von Berlin. Demnach sei ein vom Vermieter zur Verfügung gestelltes (kostenpflichtiges) PKW-Parkplatzangebot in der Nähe der Wohnung ein wohnwerterhöhendes Merkmal laut Berliner Mietspiegel, das zu der Erhöhung der Miete führen kann. Es gilt auch, wenn der Mieter gar keinen Bedarf an einem Parkplatz hat. „All die Menschen, die schon heute oder künftig zur Klimaverbesserung in Berlin beitragen, zahlen unter Umständen mehr Miete. Vergleichbare Bewertungen in anderen Senatsressorts müssen in Folge des veränderten Verkehrskonzeptes im Land Berlin somit auf den Prüfstand“, so Frau Dr. Hambach.
Trotz der Kritik am so genannten Mobilitätsgesetz hält die Landesseniorenvertretung Berlin verlässliche und zeitnahe Investitionen für den Ausbau von sicheren Fuß- und Radwegen für unverzichtbar. Schon Anfang des Jahres wurde der gesellschaftliche Diskurs, der durch die Initiative „Volksentscheid Fahrrad“ in der Hauptstadt damals in Bewegung kam, als ein Beitrag zu einem guten Miteinander im Straßenverkehr begrüßt. „Rücksichtsvolles Verhalten auf den Straßen gilt es zu fördern“, so Dr. Hambach: „Fahrradfahren als gesundheitsförderndes Bewegungsangebot wird für alle Generationen nur attraktiv, wenn das Straßennetz das Miteinander aller Verkehrsteilnehmer ermöglicht.“