Neues aus der Politik

Fast eine Million Euro für eine Kampagne. Frau Nahles macht mit Steuergeldern Werbung für ihr schlechtes Gesetz

von: André Nowak

Nahles

Sozialministerin Andrea Nahles (SPD).

Auch wenn der Entwurf für ein Bundesteilhabegesetz derzeit im Mittelpunkt der aktuellen behindertenpolitischen Debatten steht, gibt es auch andere interessante Informationen aus dem Bund und aus Berlin. Zu den ersten Drucksachen im Abgeordnetenhaus gehörte nach der Wahl der Schlussbericht des Senats „Barrierefreies Taxi in Berlin etablieren“ (Drs. 18/0008).

Bremer Erklärung zur Weiterentwicklung der Psychiatrie in Deutschland

Vom Treffen der Behindertenbeauftragten des Bundes sowie der Länder am 3. und 4. November kam Dr. Jürgen Schneider nach Berlin nicht mit leeren Händen zurück. Ein für ihn sehr wichtiges Thema stand auf seiner voraussichtlich letzten Konferenz in dieser Funktion in dieser Runde auf der Tagesordnung: Die Weiterentwicklung der Psychiatrie in Deutschland. Zu den Menschen mit Behinderungen zählen nach Artikel 1 der UN-BRK auch Menschen mit längerfristigen seelischen, psychischen und psychosozialen Beeinträchtigungen. Inhaltlich ging es in der Beratung um eine assistierte Selbstbestimmung als Ergänzung zur rechtlichen Betreuung, die stärkere Ambulantisierung im psychiatrischen Unterstützungssystem sowie die Schaffung weiterer Alternativen zur Zwangsbehandlung. In einer fünf Punkte umfassenden „Bremer Erklärung“ fordern die Beauftragten Politik, Verwaltung sowie allen übrigen Beteiligten auf, die Psychiatrie in Deutschland im Sinne der UN-BRK weiterzuentwickeln.

BMAS-Kampagne kostet 990.000 Euro

Katrin Werner (DIE LINKE) hatte in der Fragestunde des Bundestages am 19. Oktober gefragt, was die derzeitige Öffentlichkeitskampagne unter dem Motto „Mehr möglich machen – weniger behindern“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bisher im Jahr 2016 gekostet hat. 990.061 Euro hat die Kampagne bisher im Jahr 2016 gekostet, darunter 919.875 Euro für Schaltungen von Anzeigen in Tageszeitungen und Online-Medien sowie die Großflächenwerbung, so die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller (SPD).

„Für diese Kampagne hat die Bundesregierung fast eine Millionen Euro ausgeben. Dies erklärt sie mit dem Auftrag der UN-BRK, für Bewusstseinsbildung zu sorgen. Im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz, das massive Kritik bei Betroffenen auslöst, ist das ein starkes Stück. Frau Nahles macht mit Steuergeldern Werbung für ihr schlechtes Gesetz“, erklärte Katrin Werner nach der Fragestunde.

Bundesregierung beschließt Arbeitsstättenverordnung

Das Bundeskabinett hat am 2. November 2016 eine neue Arbeitsstättenverordnung beschlossen. Künftig müssen auch psychische Belastungen bei der Beurteilung der Gefährdungen berücksichtigt werden. Dies betrifft z.B. Belastungen und Beeinträchtigungen der Beschäftigten durch störende Geräusche oder Lärm, ungeeignete Beleuchtung oder ergonomische Mängel am Arbeitsplatz. Nicht berücksichtigt wurde in der neuen Verordnung das Thema der Barrierefreiheit, obwohl die bestehenden Barrieren immer wieder ein Grund für die Nichtbeschäftigung von Menschen mit Behinderungen sind und diesbezügliche Änderungen auch mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention überfällig sind.

Gesetzlicher Mindestlohn steigt auf 8,84 Euro

Das Bundeskabinett hat am 26. Oktober die Mindestlohnanpassungsverordnung beschlossen. Damit steigt ab dem 1. Januar 2017 in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn um 34 Cent auf brutto 8,84 Euro je Zeitstunde. Aber es gibt weiterhin Ausnahmen, zum Beispiel erhalten in Werkstätten beschäftigte behinderte Menschen weiterhin keinen gesetzlichen Mindestlohn.

Überblick über Aktionspläne

Über 150 Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und von Inklusion wurden in Deutschland mittlerweile entwickelt. Auf der Internetseite www.einfach-teilhaben.de sind über 70 dieser Aktionspläne unter den Rubriken: International, Bund, Länder, Landkreise, Kommunen und Städte, Organisationen/Institutionen sowie Unternehmeneingestellt.

Problematische Arzneimitteltests 

Mit dem „Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ hat der Bundestag am 11. November beschlossen, dass zukünftig an Demenzkranken und anderen nicht mehr einwilligungsfähigen Menschen Arzneimitteltests vorgenommen werden dürfen, auch wenn die Teilnahme an der Studie ihnen selbst keinen Vorteil verschafft.Für die Abstimmung war der sonst übliche „Fraktionszwang“ aufgehoben worden. Damit hat sich die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten über Einwände und Befürchtungen aus vielen gesellschaftspolitischen Teilen hinweg gesetzt. Sowohl Kirchen als auch zahlreiche Sozial- und Behindertenverbändehaben dagegen protestiert. Das nun geänderte Gesetz lässt es zu, dass sich Menschen (unter bestimmten Voraussetzungen) auch für sogenannte gruppennützige Experimente zur Verfügung stellen.

Titanic-Reform »Pflegestärkung« 

2,7 Millionen Menschen mit Pflegebedarf, 2,3 Millionen pflegende Angehörige und 1,01 Millionen Pflegebeschäftigte erleben ab Januar 2017 gravierende Veränderungen. Zwei Pflegestärkungsgesetze treten in Kraft. Aus Sicht der Linksfraktion im Bundestag ein Gestrüpp von Änderungen, bei der man kaum noch durchsieht. Ihre Kritik: Die Pflegereform bleibt Stückwerk. Die Zwei-Klassenpflege wird verschärft und der Fachkräftemangel nicht behoben. Mehr Pflegequalität und bessere Bezahlung der Pflegekräfte? Fehlanzeige! Familien, meist Frauen, bleiben der größte Pflegedienst Deutschlands. Trotz Eigenlob der Großen Koalition: Leistungsverbesserungen erfolgen weder bedarfsdeckend noch gerecht oder werden mit Einschränkungen erkauft. Ein teilhabeorientiertes Pflegeverständnis bleibt auf der Strecke.

Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ kommt

Die Bundesregierung hat am 9. November der Errichtung der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ zugestimmt. Sie soll Leid und Unrecht anerkennen, das Kinder und Jugendliche in der Zeit von 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland bzw. 1949 bis 1990 in der DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie erfahren haben. Dazu Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD): „Eine nicht hinnehmbare Gerechtigkeitslücke kann damit endlich geschlossen werden. Allen Mitstreitern danke ich, dass sie trotz vieler Rückschläge nicht locker gelassen haben, das politisch Machbare durchzusetzen. Mein ganz besonderer Dank gilt den Betroffenen, die sich mit ihren bedrückenden Schilderungen aus Kindheit und Jugend in den politischen Entscheidungsprozess eingebracht haben.“

Bund fördert Interessenvertretung durch Behindertenorganisationen

Ab sofort können beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Förderanträge für Maßnahmen gestellt werden, die die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Organisationen von Menschen mit Behinderungen verbessern, Politik und Gesellschaft gleichberechtigt mitzugestalten.Das BMAS hat dazu am 26. Oktober 2016 eine Förderrichtlinie erlassen. Insbesondere Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen erhalten damit Unterstützung, um sich intensiver und nachhaltiger in gesellschaftliche und politische Gestaltungsprozesse einzubringen.Ab 2017 stehen dafür jährlich 1 Mio. Euro zur Verfügung.

 

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