Oper ohne Klang, Bildende Kunst, die man nicht anschauen kann, Treppen, die zum unüberwindbaren Hindernis werden: Was für die meisten Menschen schwer vorstellbar ist, ist für viele Menschen mit Behinderungen ganz normaler Alltag. Immer mehr Kulturbetriebe stellen sich auf dieses besondere Publikum ein. Die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreie Reiseziele in Deutschland präsentiert besondere barrierefreie Kulturerlebnisse.
Erfurt: Oper für Gehörlose
Erfurt, die Landeshauptstadt von Thüringen mit ihrem mittelalterlichen Stadtkern, wird von einem beeindruckenden Bauwerk überragt: dem Mariendom mit der Severikirche. Jedes Jahr im Sommer wird er Schauplatz der weit über die Landesgrenzen hinweg bekannten DomStufen-Festspiele. Vor der Kulisse des Mariendoms und den 70 Stufen des Dombergs entsteht eine beeindruckende Opern- und Musicalbühne. Vom 3. bis 26. August 2018 steht „Carmen“ auf dem Programm. Barrierefreie Zugänge, Rollstuhlplätze und Behindertentoiletten sowie mobile Hörschleifen ermöglichen Menschen mit Mobilitätseinschränkungen den Besuch von George Bizets Erfolgsoper. Das einmalige akustische Erlebnis einer Oper können auch Menschen mit Hörbeeinträchtigungen das ganze Jahr über im Theater Erfurt genießen. Im Großen Haus befinden sich im Parkett 500 Plätze mit Hörschleifen, die Menschen mit einem Hörgerät mit eingebauter T-Spule einen qualitativ hochwertigen und störungsfreien Klang garantieren und die Studiobühne ist mit sechs mobilen Hörschleifen ausgestattet. Außerdem werden die Aufführungen häufig mit Übertiteln begleitet, sodass auch Gehörlose der Handlung folgen können. Das Theater Erfurt bietet zudem Menschen im Rollstuhl barrierefreie Führungen an. Sehbehinderte Kinder erleben einmaligen Hörgenuss bei den Lausch- und Märchenkonzerten oder der Veranstaltung „Instrumentengruppen stellen sich vor“.
Magdeburg: Musical vor Domkulisse
Auch Magdeburg, die grüne Domstadt an der Elbe, lockt im Sommer tausende Gäste zu einem besonderen Freiluftspektakel: Vor der historischen Kulisse des Magdeburger Doms, der ersten gotisch konzipierten Kathedrale auf deutschem Boden, findet das Domplatz-Open-Air statt. Vom 15. Juni bis 8. Juli 2018 steht Andrew Lloyd Webbers Rock-Musical „Jesus Christ Superstar“ auf dem Spielplan. Das ebene Pflaster des Domplatzes ermöglicht Menschen mit und ohne Mobilitätseinschränkung ein unbeschwertes Kulturerleben. Neben dem Domplatz-Open-Air gehören weitere spannende Produktionen zum Repertoire des Theaters. Ob Oper oder Sinfoniekonzert, Operette oder Musical, Ballett oder Theater: Der Spielplan ist bunt. Wie im Theater Erfurt befindet sich auch hier im Opernhaus Magdeburg im Parkett eine moderne Induktionsschleife für Menschen mit Hörgeräten. Rollstuhlfahrer können die barrierefreien Zugänge zum Opern- und Schauspielhaus nutzen. Magdeburg bietet daneben einen weiteren Kulturgenuss für Menschen mit Behinderungen. Im ältesten erhaltenen Bauwerk Magdeburgs gehen Gegenwart und Vergangenheit eine spannende Symbiose ein. Das 1017 gegründete Kloster Unser Lieben Frauen zeigt heute zeitgenössische Kunst in romanischer Architektur. Für Menschen mit Hörbehinderungen eignen sich die Audioguides für die Dauerausstellung, da die Lautstärke reguliert werden kann. Fahrstuhl und Rampen ermöglichen auch Rollifahrern den Besuch der Ausstellungen. Blinde und Sehbehinderte können im Skulpturenpark Kunstwerke ertasten oder sich bei einer Tastführung durch das Museum leiten lassen. Noch bis zum 5. November stellen zeitgenössische Künstler in der Sonderausstellung „Seht, da ist DER MENSCH“ den Menschen mit seinen Facetten und Befindlichkeiten in den Mittelpunkt.
Ostfriesland: Begegnungen schaffen
Kultur verbindet Menschen. In der ostfriesischen Seehafenstadt Emden wird dieses Leitthema gelebt. Ehrenamtliche Mitglieder der Initiative NettWark begleiten ältere Menschen und Menschen mit Handicap beim Ausstellungsbesuch in der Kunsthalle Emden. Gemeinsam entdecken sie die Sammlung mit der Kunst des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart und kommen dabei miteinander ins Gespräch. Die Ausstellung ist komplett barrierefrei gestaltet. Das 1986 von Stern-Gründer Henri Nannen und seiner Frau Eske gestiftete Museum beheimatet bekannte Werke wie Franz Marcs „Die blauen Fohlen“. Sonderausstellungen wie „The American Dream“ (ab 5. November) oder „Your Story! Geschichten von Flucht und Migration“ (bis 5. November) ergänzen die Sammlung.
Menschen mit Hörbeeinträchtigungen können an speziellen Führungen teilnehmen. Mobile Ringschleifen und Mikroportanlagen verbessern die Sprachverständlichkeit, da störende Hintergrundgeräusche ausgeblendet werden. In der der Kunsthalle angeschlossenen Malschule begleiten Künstler, Pädagogen und Mitarbeiter Kinder und Erwachsene mit und ohne Lernschwierigkeiten im kreativen Prozess. Neben wöchentlichen Angeboten sind vor allem Wochenendworkshops bei Urlaubsgästen beliebt.
Barrierefreie Reiseziele in Deutschland – Erfurt, Magdeburg und Ostfriesland sind drei von zehn Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreie Reiseziele in Deutschland“, den nationalen Vorreiterregionen im barrierefreien Tourismus. Das Anliegen der AG ist die Entwicklung und Vermarktung von Reiseangeboten für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, mit Hör-, Seh- und Lernbehinderungen, für Gehörlose und Blinde sowie für Familien und Senioren.
Weitere Ideen für barrierefreie Kulturerlebnisse liefern die Mitglieder auf ihrer Website www.barrierefreie-reiseziele.de.
Webadressen zu den vorgestellten Kulturerlebnissen – Theater Erfurt www.theater-erfurt.de, www.domstufen-festspiele.de, Theater Magdeburg www.theater-magdeburg.de, Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg www.Kunstmuseum.magdeburg.de, Kunsthalle Emden http://kunsthalle-emden.de.