Orientierungshilfen für chronisch Kranke

Zunahme an Mehrfacherkrankungen im höheren Lebensalter.

von: Rainer Sanner

Human body with cancer cells spreading and growingCharakteristisch für die gesundheitliche Lage älterer Menschen ist heutzutage und hierzulande wohl oft das gleichzeitige Auftreten mehrerer Erkrankungen bzw. Gesundheitsstörungen, der so genannten Multimorbidität. Im Alter vorliegende Krankheiten sind dabei oft chronisch und das bedeutet oft leider auch nicht heilbar. Zudem bestehen diese gleichzeitig nebeneinander auftretenden Erkrankungen im Alter oft nicht unabhängig voneinander, vielmehr beeinflussen sich Krankheitsfolgen, damit verbundene Funktionseinschränkungen und auch die notwendigen medikamentösen Therapien wechselseitig, ja greifen oft in komplizierte Wechselwirkungen ineinander. Anders ausgedrückt: Multimorbidität ist mehr als die Summe der Einzelerkrankungen; das Nebeneinander der Einzelerkrankungen schafft eine neue Komplexität.  

In einer Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts zu diesem Thema (www.rki.de) werden die damit verbundenen Fragen zusammenfassend folgendermaßen beurteilt: „Die Versorgung älterer multimorbider Menschen stellt in ethischer, medizinischer und sozioökonomischer Hinsicht eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar.“ Und wenn man den zunehmend größer werdenden Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung bedenkt, dann überrascht es nicht, dass das Thema Multimorbidität und die damit verbundenen neuen Fragen immer öfter auf der Tagesordnung der mit Gesundheitsthemen beschäftigten Institutionen steht.

Mit der Multimorbidität verbundene Probleme für die Betroffenen

Für die Betroffenen ist damit oft das Risiko verbunden, auftretende Fehlfunktionen von Organen oder Organsystemen nicht mehr kompensieren, also ausgleichen zu können. Und dies bringt oft Einbußen an unabhängiger Lebensführung, an Selbstbestimmung und so auch an Lebensqualität mit sich. Hinzu kommt, dass die Krankheitsentwicklung oft weniger günstig verläuft, als wenn nur eine Krankheit vorläge. Außerdem ergibt sich häufig damit auch ein umfassender Behandlungs- und Betreuungsbedarf, ja, oft ein erhöhtes Hospitalisierungsrisiko, also das Problem, nicht mehr selbstständig die eigene Versorgung bewältigen zu können, dafür ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung zu benötigen. Im Zusammenhang damit stehen oft auch hohe Behandlungskosten und eine große Zahl von verschriebenen Medikamenten.

Mit der Multimorbidität verbundene Herausforderungen für das Gesundheitswesen

Da, wie oben bereits dargelegt, das Nebeneinander der verschiedenen Einzelerkrankungen eine neue Komplexität mit sich bringt, erfordert Multimorbidität auch für die Diagnostik und für die Therapie neue medizinische Vorgehensweisen, die sich in vieler Hinsicht von der herkömmlichen Behandlung der Einzelerkrankungen unterscheiden. Die Ärztinnen und Ärzte sind in diesem Zusammenhang mit komplexen Krankheitsbildern konfrontiert, für deren Behandlung es noch keine oder nur wenige Richtlinien gibt und für die zudem die Einnahme einer Vielzahl von Medikamenten notwendig ist. Die Einnahme verschiedener Medikamente parallel gemäß Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt ist häufig zentral für eine erfolgreiche Behandlung von Multimorbidität. Das genaue Einhalten von Medikamentenverordnungen ist für die Betroffenen in ihrem Lebensalltag oft aber offenbar mit unterschiedlichsten Schwierigkeiten verbunden, denen die Betroffenen wohl oft nicht angemessen begegnen können. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Patientinnen bzw. Patienten jetzt gleichzeitig von mehreren (Fach-)Ärztinnen bzw. Ärzten behandelt werden, die – im ungünstigen Fall – das Vorgehen und die Behandlungsmethoden der anderen nicht kennen. Große Bedeutung hat im Zusammenhang mit Multimorbidität, dass eine Betreuung von mehreren Monaten bis zu Jahrzehnten benötigt wird.

Der Berliner Forschungsverbund „Autonomie trotz Multimorbidität im Alter“ (AMA)

Abschließend hier noch ein Hinweis auf den Berliner Forschungsverbund „Autonomie trotz Multimorbidität im Alter“ (AMA), www.ama-consortium.de: In dessen Rahmen arbeiten zusammen: das Deutsche Zentrum für Altersfragen (DZA), das Robert Koch-Institut (RKI), die Alice Salomon Hochschule Berlin und die Freie Universität Berlin; angegliedert sind Kliniken der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses dieses Forschungsverbundes steht die Analyse von Ressourcen zur Aufrechterhaltung der Selbstbestimmung und Alltagsbewältigung bei älteren Menschen mit Mehrfacherkrankungen.