Ein Vierteljahrhundert begleitet die BBZ das politische Geschehen in Berlin und hält die Stadt mit einer reichhaltigen Mischung aus Informationen, kritischen Beiträgen und Nachrichten über Inklusion und Exklusion auf dem Laufenden. Die BBZ ist ein lebendiges Instrument, das mit unerschöpflichem Engagement immer wieder aufzeigt, wann und wo Rechte von Menschen mit Behinderungen verletzt werden. Berlin braucht ein solches Sprachrohr. Gerade weil das Merkmal „Behinderung“ gerne beiseitegeschoben wird, ist es so wichtig, dass sich eine Zeitung mit den Themen befasst, die viele Menschen (noch!) nicht betreffen.
Die UN-Behindertenrechtkonvention (UN-BRK) hat das Merkmal „Behinderung“ in den Fokus der Menschenrechte gerückt. Ein Blick in die Konvention und ein Blick auf die Realität aus der Perspektive einer Berlinerin oder eines Berliners mit Behinderung reichen aus, um festzustellen, dass vieles noch nicht umgesetzt wurde.
Auch der zuständige UN-Fachausschuss zeigte jüngst bei einer Prüfung zur Umsetzung der Konvention in Deutschland in den „Abschließenden Bemerkungen“ auf, dass die Verantwortlichen hier wichtige Vertragsziele verschlafen haben.
Seit 6 Jahren ist die UN-BRK in Deutschland in Kraft. 6 Jahre und der UN-Ausschuss kritisiert die in Deutschland übliche gesellschaftliche Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen. Es wird nahegelegt, die Werkstätten zugunsten einer Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt abzuschaffen. Das Festhalten an Doppelstrukturen bei Wohnen, Bildung und Arbeit verstößt eindeutig gegen die Konvention.
6 Jahre und auch in Berlin sind wir weit von einem inklusiven Schulsystem entfernt. Zwar zeigen die Zahlen eine recht hohe Inklusions-Quote, doch mangelt es vielerorts an personeller Unterstützung, an geeigneten Räumlichkeiten und leider auch an einer inklusiven Werteorientierung.
6 Jahre und der Senat tritt nicht für die Rechte von Menschen mit psychischen Behinderungen in den Psychiatrien ein, denen oft noch durch vertragswidrige Zwangsmaßnahmen das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen wird. Das angekündigte neue Psychisch-Krankengesetz lässt wenig Optimismus zu.
6 Jahre und Menschen mit Behinderungen bzw. ihre Organisationen werden bei Gesetzesvorhaben, die sie selbst betreffen, alles andere als rechtzeitig konsultiert, wie in Artikel 4 der UN-BRK fixiert. Hier sind die Rückschritte ganz offensichtlich. Zwar verschaffen sich die Verbände vermehrt Gehör, sofern sie die Chance dazu haben und über Veränderungen informiert werden, aber die Verantwortlichen in der Politik scheinen kein großes Interesse daran zu haben, ihre Perspektive wirklich zu verstehen und einzubeziehen. Echte Beteiligung sieht anders aus.
6 Jahre und die Arbeitslosenquote von Menschen mit Schwerbehinderung ist immer noch überproportional hoch. Zwar gibt es ein breites Instrumentarium und hier und da auch Programme zu Eingliederungsmaßnahmen, doch führen sie nicht zum gewünschten Erfolg. Mal wird mit den Eingliederungshilfezuschüsse gegeizt. Mal
unterstützen die Ämter nicht den Schritt in die Selbständigkeit, der für viele die einzige Möglichkeit wäre, überhaupt zu arbeiten. Mal (und das leider sehr häufig) haben die Reha-Berater/-innen der Arbeitsagentur zu wenig Wissen, was durch die Kompetenzverschiebung weg von den Integrationsfachdiensten hin zur Agentur verschärft wurde.
6 Jahre und der Senat will sich eine Bauordnung leisten, die den Ansprüchen der UN-BRK nicht genügt. 6 Jahre und die Internetseiten des Landes Berlin sind immer noch nicht umfassend barrierefrei. Informationen in Leichter Sprache oder in Gebärdensprache wie auf den Internetseiten der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Bremen sucht man auf dem Berliner Hauptstadtportal vergeblich.
6 Jahre und die Plenardebatten im Abgeordnetenhaus werden nicht in Gebärdensprache übersetzt. 6 Jahre …die Liste ist lang. Wollte Berlin nicht mal Vorreiter sein?
6 Jahre …und es solle niemand müde werden zu sagen: Ohne inklusive Politik – keine inklusive Gesellschaft. Gerade die Politik hat viele Möglichkeiten, Strukturen so zu verändern, dass gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen Realität wird. Hier wünsche ich mir in der Zukunft eine menschenrechtspolitische und inklusive Fahrtrichtung – ohne wenn und aber.
Der BBZ und ihren Akteuren wünsche ich weiterhin viele gute, informative und kritische Beiträge. Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für das Engagement. Auch in Zukunft gibt es noch viel zu tun.