Mein Gesprächspartner kommt lächelnd auf mich zu. Heller Anzug, einen schwarzen Koffer hinter sich herziehend, kommt er mir entgegen. Er war gerade bei einer Besprechung, nach unserem Gespräch muss er sofort weiter ins Rathaus Schöneberg. Man könnte erwarten, dass ein Mensch mit solch einem Kalender einen gehetzten Eindruck erweckt. Nicht so Hamdy.
Er strahlt Ruhe aus, ist ein liebenswürdiger Herr mittleren Alters und sehr engagiert. Hamdy hat eine Mission zu erfüllen: Er möchte, dass behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam Sport treiben. Was den Schulpolitikern reichlich Probleme beschert, ist in seinem Klub längst gelöst.
Vielleicht liegen die Wurzeln für seine Gelassenheit in seinem Sport. Der in Alexandria geborene Hamdy ist seit seiner Jugend ein erfolgreicher Judoka. So werden die Sportler genannt, die Judo ausüben. Das ist eine japanische Kampfsportart, die in den Anfängen des 20. Jahrhunderts in Japan entstanden ist. Judo bedeutet soviel wie sanfter, flexibler Weg und bezeichnet eine Sportart, die durch Nachgeben den Sieg herbeiführen soll. Durch einen minimalen Einsatz an Mittel soll eine maximale Wirkung erzielt werden.
Judo steigert das Selbstbewusstsein
In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erkannten Sportpädagogen die therapeutische Wirkung dieses Sports auf behinderte Menschen. Die Leistungsfähigkeit steigt, Aggressionen werden abgebaut und ein regelkonformes Verhalten wird trainiert. Judo führt zu mehr Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein. Aus diesen Einsichten heraus entstand das G-Judo, das „gehandicapte Judo“. Besonders stark entwickelte sich diese Sparte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
Hamdy Mohamed fand diese Entwicklung faszinierend. Er wohnte auf der Insel Juist und baute dort eine Gruppe mit 60 behinderten Kindern auf. Als er 2008 zurück nach Berlin kam, war für ihn klar, etwas Ähnliches zu etablieren. Er erwarb die Lizenz zum Training mit behinderten Menschen, fand einen Verein, in dem er eine Abteilung G-Judo aufbaute, und begann seine Arbeit. Als dieser Verein ihm den Stuhl vor die Tür stellte, überlegte er nicht lang, er gründete einen eigenen Verein: Budo Club Ken Shiki. Das heißt „Streben nach Wissen“. Inzwischen trainieren rund 100 Kinder und Jugendliche in diesem Verein, zwei Drittel von ihnen sind behindert. „Am schwersten haben es Menschen mit einer geistigen Behinderung“, ist seine Auffassung. Sie bedürfen seiner besonderen Aufmerksamkeit.
Was wirklich zählt
„Ein Schneider nimmt ein Stück Stoff und schneidet es ganz individuell so zu, dass es passt“, erläutert Hamdy Mohamed seine Trainingsmethode. „Genau so muss man im Training mit behinderten Jugendlichen umgehen.“ Das Prinzip funktioniert, die Sportler seines Klubs sind sehr erfolgreich: Bei der Deutschen Meisterschaft 2011 holten seine Schützlinge vier Gold- und zwei Silbermedaillen.
Die Erfolge sind aber nur eine Seite der Medaille. Natürlich strebt jeder Sportler nach dem Platz auf dem Treppchen. Dafür trainiert er und führt den Körper an seine Grenzen. Im Falle des Erfolges schüttet der Körper literweise Endorphine aus, das Glücksgefühl ist unbeschreiblich. Hamdy Mohamed kennt diese Momente, ist er doch selbst Afrikameister und hat bei Weltmeisterschaften und Europameisterschaften 2009 teilgenommen. Ihm geht es aber vielmehr um das Miteinander in seinem Klub. Jedes Jahr veranstalten sie ein Trainingslager. Dort teilen sich immer ein behinderter und ein nichtbehinderter Jugendlicher ein Zimmer. Nie gab es Probleme dabei. „Neben den sportlichen Leistungen müssen sie Toleranz und Verständnis im Umgang miteinander lernen“, erklärt Hamdy sein Vorgehen.
Er ist ein sehr engagierter Mann. Er läuft treppauf, treppab, um Sympathisanten für seinen Klub zu finden. Für sein Engagement war er beim Bundespräsidenten eingeladen. Seine größte Auszeichnung hat er aber von einem seiner Sportler erhalten. Als in den Arcaden in der Wilmersdorfer Straße ein Wettbewerb „Wer ist mein Held“ lief, schlug ganz spontan der elfjährige Moritz Becker ihn vor. Er wurde tatsächlich ausgewählt und bekam eine Urkunde. „Die ist mir viel mehr Wert, als der Besuch beim Bundespräsidenten“.
Von Siegurd Seifert (BBZ)