Stephen Hawking ist wohl der bekannteste Wissenschaftler mit Handicap weltweit. Doch es gibt sehr viele große Denker und Forscher, die körperlich oder psychisch beeinträchtigt waren: Darwins Symptome deuten auf eine Nervenschwäche hin, bei Einstein vermuten Wissenschaftler eine Variante des Asperger-Syndroms, Freud war suchtkrank und Edison schwerhörig, Marx litt unter Karbunkeln und Nietzsches Persönlichkeitsverfall könnte an einer Neurosyphilis gelegen haben. Heinrich Zankl und Katja Betz erzählen in Trotzdem genial von diesen ganz besonderen Menschen, ihren Handicaps und Leiden und ihren beachtlichen Spuren, die sie in der Welt hinterlassen haben. Allen Biografien folgt eine Kurzdarstellung der jeweiligen Krankheit(en). Das Buch erscheint nun bei WILEY-VCH.
Das Who is Who der Geistes- und Naturwissenschaften mal anders
Die etwas anderen Paralympics, die uns Zankl und Betz hier präsentieren, sind beeindruckend und überraschend zugleich. Denn in Trotzdem genial ist das Who is Who der Geistes- und Naturwissenschaftler versammelt. Übrigens: Auch Katja Betz, Zankls Koautorin, ist auf den Rollstuhl angewiesen und weiß, das körperlich Beeinträchtigte von klein auf Selbstdisziplin und Ausdauer entwickeln müssen, um ihren Alltag zu meistern. Da lernen wir etwa den Kinderarzt Oliver Semler kennen, der zur Glasknochenkrankheit forscht, an der er auch selbst erkrankt ist oder die Tierwissenschaftlerin Temple Grandin. Sie ist Autistin und bemerkte, dass sie mit Tieren viel besser umgehen konnte als mit Menschen. Sie entwickelte unter anderem tiergerechtere Anlagen zur Haltung von Kühen. Durch die Verfilmung ihres Lebens wurde sie einem breiten Publikum bekannt, genauso wie John Nash, der schizophrene Nobelpreisträger und Mitentwickler der Spieltheorie.
Eigentlich dürfte ich mit dieser Krankheit nicht hier stehen
Sigmund Freud begann schon in jungen Jahren, seine depressiven Verstimmungen mit Kokain zu behandeln und rauchte exzessiv. Wie auch der Neurologe Oliver Sacks litt er unter starken Migräneattacken. Sacks interessierte sich so für das Leiden, dass er etwa 1.000 Migränepatienten behandelte und auf Basis dieser vielfältigen Patientengeschichten ein Buch schrieb, das den Gesamtkomplex der Migräne in all seinen verwirrenden Facetten darstellt – berührende, verblüffende und manchmal auch unglaubliche Lebensgeschichten. Elyn Saks sagt von sich: „Eigentlich dürfte ich mit dieser Krankheit nicht hier stehen, und doch tue ich es.“ Sie ist an Schizophrenie erkrankt und die Ärzte machten ihr schon in jungen Jahren wenig Hoffnung, in Zukunft selbstständig leben oder gar geregelt arbeiten zu können. Heute ist sie Professorin für Recht, Psychologie, Psychiatrie und Verhaltensforschung in Kalifornien.
„Trotzdem genial – Darwin, Nietzsche, Hawking und Co“ von Heinrich Zankl und Katja Betz; 2014. 300 Seiten, 15 Abb., 1. Auflage . Verlag: WILEY-VCH, Weinheim; ISBN 978-3-527-33410-0; 24,90 Euro. Auch als E-Book erhältlich.