Urlaub im Land des Bergdoktors

von: Siegurd Seifert

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Urlaub in fernen Ländern wird zu einer Mutprobe. Krisengebiete und Anschläge lassen die schönste Zeit des Jahres schnell zu einem Abenteuertrip der besonderen Art werden. Auch deshalb genießen immer mehr Deutsche ihren Urlaub im eigenen Land. Wer dennoch ins Ausland möchte, findet in Tirol eine gute Alternative, und die sogar im Sommer.
Eigentlich assoziiert Kitzbühel einen Urlaubsort der Schönen und Reichen. Viele potenzielle Urlauber winken deshalb ab: Zu teuer, zu exklusiv, um entspannt Urlaub machen zu können. „Dem ist aber nicht so“, widerspricht vehement Nicoletta Plum von der Kitzbühel Tourismus Agentur. „Wir Kitzbüheler leben doch auch hier und sind ganz normale Verdiener“.

Ausgangspunkt für Wanderungen

Kitzbühel ist ein guter Ausgangspunkt für zahlreiche Wanderungen in die Berge. Mit der Seilbahn kann man barrierefrei den Gipfel des Kitzbüheler Horn erreichen, der mit seinen 1996 Metern nur knapp die zweitausender Marke verpasst. Von dort geht es für den Wanderer abwärts bis zum Alpenhaus. Besonders mit dem Rollstuhl kann die lange Abwärtsstrecke allerdings reichlich anstrengend sein. Alternativ ist das Alpenhaus vom Tal direkt mit der Seilbahn zu erreichen. Von seiner Terrasse hat der sehende Tourist, einen wunderbaren Blick über Kitzbühel, die Alpengipfel am Horizont und den wohl jedem Bergdoktor-Fan bestens bekannten Kaiserstuhl. Es gibt im Alpenhaus eine barrierefreie Toilette, die ebenfalls von der Seilbahnstation erreichbar ist.

Brennen für Barrierefreiheit

Nicoletta Plum ist engagiert, den barrierefreien Tourismus in ihrem Ort zu etablieren. An vielen Stellen ist das bereits gelungen, an anderen arbeitet sie noch. Sie erfährt dabei große Unterstützung durch Kornelia Grundmann, einer deutschen Auswanderin.
Grundmann ist studierte Architektin. Als 2001 eine Multiple Sklerose bei ihr diagnostiziert wurde, begannen die gesundheitlichen Einschränkungen. Heute benutzt sie einen Rollstuhl und ist Fachfrau im doppelten Sinne.
Sie betreibt die Agentur gabana, mit der sie Touristik- und Bauunternehmen in Sachen Barrierefreiheit berät. Gabana steht für ganzheitliches, barrierefreies und nachhaltiges Management. Mit ihrem Fachwissen als Architektin und ihren Wahrnehmungen als behinderter Mensch kann sie unter anderem Hotels in Tirol gut unterstützen.
In ihrem Haus in Ellmau hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Ralf ein Musterzimmer eingerichtet, um Hotelbesitzern zu zeigen, worauf sie bei der Einrichtung eines barrierefreien Zimmers achten müssen. Alle Möbel wurden aus Lärchenholz gefertigt, darüber werden sich besonders Allergiker freuen. Die Nachtschränke wurden nicht wie üblich beigestellt, sie wurden massiv gefertigt und fest mit dem Bett verschraubt und dienen damit gleichzeitig als Stütze. Aus dem Liegen heraus kann der Gast taktile Schalter betätigen. Durch ihre reliefartige Oberfläche lässt sich auch im Dunkeln ertasten, um welchen Schalter es sich handelt.
Kornelia Grundmann brennt für ihre Idee. Von acht Wirtschaftskammern in Tirol hielt sie bereits in sieben von ihnen Vorträge. In ihrer Art kann sie überzeugend sein. Vor drei Jahren organisierte sie in Kufstein eine erste Infoveranstaltung. Heute gibt es ein spezielles Konzept und es wurde begonnen, es umzusetzen. Kufstein soll Modellprojekt für die Region werden.
Barrierefreier Tourismus verlangt zunächst Investitionen. Die Argumente liegen auf Grunmanns Seite, denn sie amortisieren sich manchmal schneller, als der Gastronom dachte. Ein Hotel der Region richtete mit einigem finanziellen Aufwand und Grundmanns Hilfe zwei behindertengerechte Zimmer ein. Diese zwei Zimmer brachten dem Hotel innerhalb kürzester Zeit 500 zusätzliche Übernachtungen ein.

 
Barrierefreiheit per Gesetz

„Wir müssen das ja machen, wenn ab Jänner das neue Gesetz kommt“, ist ein Satz, den man im Gespräch mit Hoteliers und Gastronomen immer wieder hört. Tatsächlich ist das  österreichische Bundesgleichstellungsgesetz eine Hilfe für Plums und Grundmanns Bemühungen. Laut diesem Gesetz liegt eine unmittelbare Diskriminierung bereits vor, „wenn eine Person aufgrund einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weit weniger günstige Behandlung erfährt“. Und für Deutschland unvorstellbar: Die Beweislast liegt beim Verursacher. Kann ein behinderter Mensch wegen fehlender Barrierefreiheit nicht in einem Hotel wohnen, muss der Hotelbesitzer beweisen, dass er, aus welchen Gründen auch immer, diese Barrierefreiheit nicht schaffen konnte. Es gibt eine Schiedsstelle auf Bundesebene, die in solchen Fällen Schadensersatz bis über 1.000 Euro verhängen kann. In der Vergangenheit wurden solche Strafen bereits verhängt. Das Gesetz gilt in dieser verschärften Version ab dem 1. Januar 2016.

Barrierefreie Anreise

Für Wanderungen und Landschaftserkundungen eignet sich die individuelle Anreise mit dem Auto. Es ist aber auch möglich, mit der Bahn anzureisen. Es gibt günstige Verbindungen von Berlin bis Kufstein und Innsbruck. Der Bahnhof in Kufstein ist vollständig barrierefrei. Die Deutsche Bahn hat nach wie vor ein Sonderangebot für Fahrten nach Tirol. Ein Ticket in der zweiten Klasse kostet 39,00 Euro und in der ersten Klasse 69,00 Euro und ist 15 Tage gültig. Am besten, man wendet sich an die Mobilitätsservicezentrale der Deutschen Bahn, die Mitarbeiter klären alle Fragen, auch grenzüberschreitend.

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