USE-Fachtag zum Reformvorhaben

Wohin geht es mit der Eingliederungshilfe?

von: Christian Hyza

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Auch das Publikum beteiligte sich an der intensiven Diskussion zum Bundesteilhabegesetz. Foto: Robin Karnstädt

Vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 hatten sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verbessern zu wollen. Zu diesem Zweck soll die Eingliederungshilfe reformiert und zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt werden. Dem Grundsatz „Nichts über uns – ohne uns“ folgend, wurden von Anfang an Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände in die Erarbeitung des neuen Gesetzesentwurfs mit einbezogen. Seit April 2015 liegt der Abschlussbericht der „Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz“ vor, aber der noch für dieses Jahr angekündigte Referentenentwurf lässt weiter auf sich warten und wird kaum vor Frühjahr 2016 kommen.
Auf der Grundlage des Berichts lässt sich aber schon jetzt fragen, ob die mit der Reform geweckten Erwartungen tatsächlich eingelöst werden. Auf inhaltlicher Ebene ist unter anderem damit zu rechnen, dass ein Budget für Arbeit bundesweit eingeführt, unabhängige Beratungsstellen etabliert und die Leistungserbringung der beruflichen Rehabilitation durch Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) um sogenannte andere Anbieter erweitert wird. Zudem sollen Leistungen für Menschen mit Behinderungen zukünftig personenzentriert und „wie aus einer Hand“ gewährt werden. Aber wie könnte ein Budget für Arbeit konkret aussehen, welche anderen Leistungsanbieter kommen neben den WfbM überhaupt infrage und wird sich dadurch die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen wirklich verbessern? Wie ist die Sicht des Landes Berlin auf all diese Themen? Diese und weitere Fragen diskutierten die sechs Referenten und rund 70 Gäste des Fachtags 2015 der USE gGmbH Anfang Oktober im „pier36eins“ in Berlin-Grünau unter dem provokanten Titel „Die Reform der Eingliederungshilfe: Vom Tiger zum Kätzchen?“.

 

 
Verteilung der Gelder unklar

Zum jetzigen Zeitpunkt, so die einhellige Meinung, bestünde die größte Schwierigkeit darin, dass der Referentenentwurf noch immer nicht vorliege. Weil das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hier zunächst seine Hausaufgaben machen müsse, gleiche die Debatte derzeit einem „Lesen in der Glaskugel“, wie Volkhard Schwarz von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales feststellte. Eine eindeutige Positionierung des Landes Berlin sei auch auf dieser Basis nicht möglich. Für große Verunsicherung habe vor allem gesorgt, dass die in Aussicht gestellte Entlastung der Kommunen in Höhe von fünf Milliarden Euro entgegen früherer Aussagen nicht direkt mit dem Gesetzesvorhaben verknüpft werden wird. „Das hat eingeschlagen wie eine Bombe“, so Schwarz, und es sei völlig offen, ob und in welcher Form diese Gelder in Zukunft überhaupt bei den Kommunen für die Zwecke der Eingliederungshilfe ankommen würden.
In eine ähnliche Richtung gingen auch die Ausführungen von Dr. Jochen Walter, dem stellvertretenden Vorsitzenden der BAG WfbM und Vorstand der Stiftung Pfennigparade. Er begrüßte es sehr, dass nunmehr Forderungen nach Schließung von WfbM offenkundig vom Tisch seien. Insgesamt zeigte er sich allerdings wenig optimistisch und sprach in Bezug auf Umfang und Tragweite des Reformvorhabens von einer zu befürchtenden „Mini-Reform“. Wenn der Referentenentwurf des BMAS dann vorliegt, müsse die Diskussion unbedingt wieder aufgenommen werden: „Die bisherigen Entwicklungen können sich sehen lassen und wir können uns selbstbewusst in die Debatte einbringen“, so Dr. Walter. Es sei an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen, und das schließe ihm zufolge auch die Bereitschaft ein, darüber nachzudenken, das Bestehende so zu verändern, dass Inklusion möglich sei.