Man könnte meinen, dass jeder, der pflegebedürftig ist, Leistungen der Pflegeversicherung (SGB XI) in Anspruch nehmen kann. Doch weit gefehlt. Um überhaupt Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können, müssen diverse Voraussetzungen erfüllt sein. Dieser Artikel soll ein paar grundlegende Fragen rund um die Pflegebedürftigkeit beantworten.
Damit ein Leistungsanspruch überhaupt entsteht, müssen zunächst einmal, wie bei jeder Versicherung, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Bei den gesetzlichen Pflegekassen ist es die Erfüllung einer sogenannten Vorversicherungszeit von mindestens 2 Jahren. Das ist die Zeit, in der das Mitglied entweder selbst versichert oder beispielsweise im Rahmen einer Familienversicherung durch einen Familienangehörigen mitversichert gewesen ist.
Weiterer Punkt ist die Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Pflegebedürftig sind „Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen“ (§ 14 SGB XI).
Das drei Stufenprinzip
Aus dieser gesetzlichen Formulierung wird deutlich, dass Pflegeleistungen erst ab einer bestimmten zeitlichen und qualitativen Hürde, nämlich bei mindestens erheblichem Pflegebedarf, erbracht werden. Zur Konkretisierung – und aus Kostengründen – hat der Gesetzgeber daher 3 Pflegestufen festgelegt, die ansteigend den jeweiligen Pflege- und hauswirtschaftlichen Bedarf beschreiben (vgl. § 15 SGB IX). Beim Pflegebedarf wurde ein deutlicher Schwerpunkt auf den Bereich der Grundpflege gelegt, das heißt die Verrichtungen, die nötig sind, um Körperpflege, An-und Auskleiden, Toilettengänge, Nahrungsaufnahme und die dazugehörigen Belege zu bewältigen.
Die Pflegeleistungen können als Pflegegeld (Kurzform Pfg) ausgezahlt, als Pflegesachleistung (Kurzform Pfsl) oder als Kombination aus Beidem erbracht werden. Als Pflegesachleistung sind all jene Verrichtungen zu verstehen, die durch einen Pflegedienst oder sonst eine Pflegeperson erbracht werden, die mit der Pflegekasse einen entsprechenden Vertrag haben. Die Leistungen reichen von der Pflegestufe I mit 450 Euro (Pfsl) bzw. 235 € (Pfg) über die Pflegestufe II mit 1.100 Euro (Pfsl) bzw. 440 Euro (Pfg) bis hin zur Pflegestufe III mit 1550 Euro (Pfsl) bzw. 700 Euro (Pfg).
In besonderen Härtefällen, wo der pflegerische Aufwand besonders hoch ist, beläuft sich die Pflegesachleistung auf 1918 Euro. Eine Ausnahme bilden beispielsweise die Demenzerkrankungen, wo sowohl Sach- als auch Geldleistung unter Berücksichtigung der so genannten „eingeschränkten Alltagskompetenz“ höher ausfallen (vgl. § 45 a ff. SGB XI).
Um eine Pflegestufe zu bekommen, ist – wie sollte es anders sein – ein entsprechender Antrag bei der Pflegekasse zu stellen. Ausnahme: bei „eingeschränkter Alltagskompetenz“. Der Antrag sollte neben den persönlichen Angaben (Name, Geburtsdatum, Anschrift etc.) auch eine grobe Leistungsbeschreibung sowie den Grund (Erkrankung, Behinderung, etc.) enthalten. Nach Antragseingang wird dann regelmäßig der medizinische Dienst der Krankenkassen (Kurzform MDK) beauftragt, eine Begutachtung vorzunehmen.
Begutachtertermin ist entscheidend
Wichtig ist es in jedem Fall, sich auf einen solchen Begutachtungstermin gründlich vorzubereiten. Es sollten im Vorfeld sämtliche Verrichtungen, die im Haushalt und der Grundpflege anfallen, dokumentiert und zeitlich erfasst werden. Dabei sollten sämtliche, die Pflege erschwerenden, Faktoren mit aufgeführt werden. Denn jede Minute zählt! Solche Faktoren können beispielsweise sein: Das Körpergewicht, Spastik, zeitaufwändiger Hilfsmitteleinsatz, krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, etc. – im Prinzip jeder Fakt, der dazu führt, dass sich die pflegerischen Verrichtungen verzögern. Vergessen werden häufig auch die anfallenden notwendigen Begleitungen außer Haus, wie beispielsweise zur Physiotherapie.
Für die meisten Leistungsempfänger ist das Thema „Pflege“ ein sehr persönliches, wenn nicht gar intimes, weshalb die Pflege auch häufig von Familienangehörigen übernommen wird. Zur Entlastung oder bei Verhinderung der normalerweise tätigen Pflegepersonen, gibt es die Möglichkeit einer Pflegevertretung (§ 39 SGB IX). Die Inanspruchnahme von so genannter Verhinderungspflege bzw. (stundenweiser) Ersatzpflege kann wahlweise als Sach- oder Geldleistung erfolgen und bringt unter Umständen nicht nur eine personelle sondern auch eine gewisse finanzielle Entlastung mit sich. Letztlich sei noch darauf hingewiesen, dass sich die Pflege nach dem SGB XI (Zuständigkeit: Pflegekasse) streng von der Behandlungspflege nach dem SGB V (Zuständigkeit: Krankenkasse) abgrenzt. Die Behandlungspflege zählt nämlich zur häuslichen Krankenpflege, die darauf gerichtet ist Krankheiten zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Sie dürfen nur durch Pflegefachkräfte übernommen werden.