Durch zwei Pflegestärkungsgesetze will das Bundesgesundheitsministerium in dieser Wahlperiode deutliche Verbesserungen in der pflegerischen Versorgung umsetzen. Durch das erste Pflegestärkungsgesetz werden seit dem 1. Januar 2015 die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen ausgeweitet und die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen erhöht. Zudem soll ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet werden.
Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz soll noch in dieser Wahlperiode der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt werden. Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Demenzkranken soll dadurch wegfallen. Im Zentrum steht der individuelle Unterstützungsbedarf jedes Einzelnen.
Durch die Pflegestärkungsgesetze werden die Beiträge für die Pflegeversicherung in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben. Dadurch stehen fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr für Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro fließen in einen Pflegevorsorgefonds. Insgesamt können die Leistungen aus der Pflegeversicherung um 20 Prozent erhöht werden.
Was ändert sich ab dem 1. Januar 2015? Die wichtigsten Fragen und Fakten im Überblick.
Welche Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden erhöht?
Alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden um 4 Prozent angehoben, um die Preisentwicklung der letzten drei Jahre zu berücksichtigen. Für Leistungen, die erst mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz Ende 2012/Anfang 2013 eingeführt worden sind, wird für einen Zeitraum von zwei Jahren eine Anpassung um 2,67 Prozent vorgenommen. Darüber hinaus werden weitere Leistungsverbesserungen bei der Pflege zu Hause und in Pflegeeinrichtungen umgesetzt.
Was verbessert sich für die Pflege zu Hause?
Viele Pflegebedürftige wünschen sich, so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung gepflegt zu werden. Mehr als zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt, meist durch Angehörige oder ambulante Pflegedienste. Um die Pflege zu unterstützen, werden die Leistungen für die häusliche Pflege um rund 1,4 Milliarden Euro erhöht.
- Die Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können in Zukunft besser kombiniert werden.
Wer eine Kurzzeitpflege in Anspruch nimmt, z.B. wenn der Pflegeaufwand nach einem Krankenhausaufenthalt so hoch ist, dass für ein paar Wochen die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung nötig wird, kann schon heute seinen Anspruch auf Verhinderungspflege hierfür verwenden. Statt vier Wochen sind bis zu acht Wochen Kurzzeitpflege pro Jahr möglich, die Pflegekasse übernimmt dafür künftig bis zu 3.224 Euro (bisher 3.100 Euro). Künftig gilt dies in ähnlicher Weise auch bei der Verhinderungspflege: Wenn der pflegende Angehörige krank ist oder eine Auszeit braucht, wird eine Pflegekraft oder Vertretung benötigt. Diese so genannte Verhinderungspflege soll künftig unter entsprechender Anrechnung auf den Anspruch auf Kurzzeitpflege bis zu sechs Wochen in Anspruch genommen werden können statt bisher bis zu vier. Bisher stand für Verhinderungspflege pro Jahr bis zu 1.550 Euro, künftig stehen 2.418 Euro/Jahr zur Verfügung. So können pflegende Angehörige besser die Unterstützung wählen, die in ihrer Situation am besten hilft.
- Die Leistungen für Tages- und Nachtpflege (teilstationäre Pflege) werden ausgebaut.
Bisher wurden die Inanspruchnahme von Tages-/Nachtpflege und die ambulanten Pflegeleistungen (Pflegegeld und/oder ambulante Sachleistungen) zum Teil aufeinander angerechnet. Das ändert sich: Wer ambulante Sachleistungen und/oder Pflegegeld bekommt, kann künftig Tages- und Nachtpflege daneben ohne Anrechnung voll in Anspruch nehmen. Damit steht mehr Geld für Betreuung zur Verfügung. Beispiel: Bisher gab es für die Kombination von Tagespflege und ambulanten Pflegesachleistungen in Pflegestufe III bis zu 2.325 Euro. Künftig stehen hierfür bis zu 3.224 Euro/Monat zur Verfügung. Auch Demenzkranke profitieren erstmals von dieser Leistung.
- Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote werden gestärkt.
Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen werden ausgebaut und auf alle Pflegebedürftigen ausgedehnt. Demenzkranke bekommen heute bis zu 100 oder 200 Euro/Monat (ab 1.1.2015: bis zu 104 oder 208 Euro/Monat). Künftig werden auch bei rein körperlicher Beeinträchtigung 104 Euro pro Monat von der Pflegekasse erstattet. Damit können Leistungen von Kurzzeitpflege, Tages- und Nachtpflege und Betreuungsleistungen durch ambulante Pflegedienste oder nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Angebote finanziert werden. Es können aber auch anerkannte Haushalts- und Serviceangebote oder Alltagsbegleiter finanziert werden, die bei der hauswirtschaftlichen Versorgung helfen. Das können auch Pflegebegleiter der Angehörigen sein, die bei der Bewältigung des Pflegealltags helfen. Und auch die Aufwandsentschädigung für einen, nach Landesrecht anerkannten ehrenamtlichen Helfer, kann damit bezahlt werden, der zum Beispiel beim Gang auf den Friedhof begleitet. Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können künftig auch an Stelle eines Teils der Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden (neue „Umwidmungsmöglichkeit“ in Höhe von bis zu 40 Prozent des jeweiligen ambulanten Pflegesachleistungsbetrags).
- Die Zuschüsse für Umbaumaßnahmen und Pflegehilfsmittel werden erhöht.
Oft sind es Umbaumaßnahmen wie Rampen oder begehbare Duschen, die es ermöglichen, im eigenen Zuhause oder in einer Pflegewohngemeinschaft zu bleiben. Daher werden ab sofort die Zuschüsse hierfür gesteigert: Von bisher bis zu 2.557 Euro auf zukünftig bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Leben mehrere Pflegebedürftige gemeinsam in einer Wohnung, können sie statt bis zu 10.228 Euro jetzt bis zu 16.000 Euro pro Maßnahme erhalten. Auch die Zuschüsse zu Pflegehilfsmitteln, die im Alltag verbraucht werden, werden angehoben (von 31 Euro auf 40 Euro/Monat).
Was wird zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen getan?
Auch die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf soll verbessert werden. Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, kann künftig eine Lohnersatzleistung für eine bis zu zehntägige Auszeit vom Beruf erhalten, vergleichbar dem Kinderkrankengeld. Durch das erste Pflegestärkungsgesetz werden zur Finanzierung dieser Leistung 100 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.
Was verbessert sich in den stationären Pflegeeinrichtungen?
In stationären Pflegeeinrichtungen werden die Leistungen im Umfang von rund 1 Milliarde Euro verbessert. Damit wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte von bisher rund 25.000 auf bis zu 45.000 Betreuungskräfte erhöht werden kann. Die ergänzenden Betreuungsangebote durch zusätzliche Betreuungskräfte sollen künftig allen Pflegebedürftigen offen stehen, bisher waren sie Pflegebedürftigen mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf (z.B. Demenzkranke) vorbehalten. Das verbessert den Pflegealltag in den voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen. Zudem profitieren die Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen natürlich auch von der Erhöhung der Leistungsbeträge aus der Pflegeversicherung.
Wie werden neue Wohnformen unterstützt?
Der Wohngruppenzuschlag, den Pflegebedürftige aus der Pflegeversicherung erhalten, wenn sie eine Pflegekraft in einer ambulant betreuten Wohngruppe mit mindestens drei Pflegebedürftigen beschäftigen, wird künftig auf 205 Euro pro Monat erhöht. Außerdem gibt es eine Anschubfinanzierung (bis zu 2.500 Euro je Pflegebedürftigen, maximal 10.000 Euro insgesamt je Wohngruppe) für die Gründung einer ambulant betreuten Pflege-Wohngruppe, die künftig einfacher in Anspruch genommen werden kann. Diese Leistungen stehen künftig auch Personen in der so genannten Pflegestufe 0 zur Verfügung. Auch der Zuschuss für Umbaumaßnahmen wird deutlich aufgestockt, Wohngruppen können künftig bis zu 16.000 Euro erhalten.
Was verbessert sich für Demenzkranke?
Bislang hatten Menschen, die zwar in ihrer Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sind, deren Pflegebedarf aber unterhalb der Pflegestufe I liegt (sogenannte Pflegestufe 0), nur einen eingeschränkten Leistungsanspruch. Dieser wird jetzt erweitert: Künftig können Versicherte auch Leistungen der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege und den Zuschlag für Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen erhalten. Zudem wird ihnen ermöglicht, die Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohngruppen zu bekommen. Damit erhalten sie jetzt Zugang zu allen Leistungen im ambulanten Bereich, die auch Personen mit einer Pflegestufe zustehen.
Was verbessert sich für körperlich beeinträchtigte Pflegebedürftige (z. B. nach einem Schlaganfall)?
Bislang hatten nur Menschen mit einer auf Dauer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (also insbesondere an Demenz Erkrankte) einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI. Auch das wird sich jetzt ändern: Pflegebedürftige, die stärker eingeschränkt sind – z. B. nach einem Schlaganfall – erhalten jetzt ebenfalls einen Anspruch auf entsprechende Leistungen. Damit bekommen die Betroffenen nun auch erstmals einen Anspruch auf niedrigschwellige Hilfen, d.h. sie können sich vor Ort ein Angebot suchen, das nach Landesrecht anerkannt ist und bekommen die Kosten bis zur Höhe von 104 Euro/Monat bzw. 1.248 Euro/Jahr erstattet. Zudem steht ihnen künftig ebenfalls die – oben bereits angeführte – Möglichkeit zu, zusätzlich maximal den hälftigen Anspruch auf ambulante Sachleistungen für solche Angebote zu verwenden.
Wozu dient der Pflegevorsorgefonds und wie werden die Leistungen finanziert?
Um die Beitragsbelastung künftiger Generationen und der jetzt jüngeren Menschen in den Jahren zu begrenzen, in denen die geburtenstarken Jahrgänge ins „Pflegealter“ kommen, wird ein Pflegevorsorgefonds in Form eines Sondervermögens gebildet, der von der Bundesbank verwaltet wird. In diesen Fonds werden jährlich die Einnahmen aus 0,1 Beitragssatzpunkten (rd. 1,2 Mrd. Euro) eingezahlt. 2015 wird der Beitragssatz in einem ersten Schritt um 0,3 Prozentpunkte auf 2,35 Prozent und 2,6 Prozent für Kinderlose steigen. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz werden die Beiträge zur Pflegeversicherung nochmals um 0,2 Prozentpunkte angehoben.