Am 13.11.2014 reisten sechs Delegierte des Berliner Behindertenverbandes (BBV) im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen den Hauptstädten Deutschlands und Russlands nach Moskau, um den Erfahrungsaustausch mit der Moskauer Organisation des Allrussischen Behindertenverbandes (MGO) auf persönlicher Ebene fortzuführen. Alle Beteiligten setzten sich damit – trotz der politisch angespannten Lage zwischen Deutschland und Russland – für mehr Kooperation ein. Unterstützt wurden sie dabei von Vertretern des Berliner Behindertensportverbandes und der Rollstuhl-Basketballmannschaft der Sportgemeinschaft Handicap e.V. (SGH). Die Sportler verdeutlichten in einem gemeinsamen Turnier mit russischen Mannschaften, wie wichtig es ist, in diesen Zeiten aufeinander zuzugehen.
Freundschaft und Zusammenarbeit: Diese beiden Schlagworte standen bei dem diesjährigen Treffen mit dem Moskauer Behindertenverband im Vordergrund. Schon bei der Anreise nach Moskau nahm man die 21-köpfige Delegation, darunter 9 Rollstuhlfahrern, aus Berlin herzlich in Empfang. Mit zwei barrierefreien Bussen ging es auf eine eineinhalbstündige Fahrt zu einem Hotel etwas außerhalb des Stadtkerns. Nach den ersten Eindrücken der Unterkunft – sie waren für viele aufgrund der mangelnden Barrierefreiheit sehr ernüchternd – ging es für den Gastgeber und seine Gäste zum gemeinsamen Abendessen. Bei dieser Gelegenheit wurden die anfänglichen Berührungsängste abgebaut und erste persönliche Erfahrungen unter den Anwesenden ausgetauscht.
Moskau, Moskau, Russland ist ein schönes Land
Bei einer gemeinsamen Stadtrundfahrt am nächsten Tag bekamen die Beteiligten die Möglichkeit, Moskau und die russische Kultur näher kennenzulernen. Am Mittag wurde einer Einladung von Nadeschda Lobanowa gefolgt – der Vorsitzenden des Moskauer Behindertenverbandes – zum Mittagessen in ihrer Geschäftsstelle. Bei einem anschließenden Besuch auf dem Roten Platz bekräftigte sich der Eindruck unter den Berlinern, dass Moskau eine sehenswerte Stadt ist, der es aber an umfassender Barrierefreiheit fehlt.
Ganz im Zeichen des Sports und der Politik
An den zwei darauffolgenden Tagen wurde es sportlich und politisch zugleich. Der Rollstuhlbasketballverein der SGH und zwei andere Mannschaften – der Moskauer Verband Falcon und ein Team aus Tjumen in Sibirien – traten gegeneinander an. Sowohl bei der Eröffnungsrede als auch bei der Abschlussfeier am 2. Spieltag stellten die Veranstalter und wichtige Persönlichkeiten aus Sport und der Politik noch einmal heraus, dass es wichtig sei, an einer gemeinsamen Lösung der bestehenden Differenzen zu arbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen. Das Kommen der Berliner Delegation sei ein Zeichen der Freundschaft und müsse als Vorbild für die Politik genommen werden, so die Botschaft. Mit der Anwesenheit von Aleksey Savrasenko – einem ehemaligen Basketballstar – wurde auch noch einmal auf die Bedeutung des Sports und dessen Einfluss auf die Politik hingewiesen. Übrigens: Das Turnier gewann Tjumen vor Moskau und Berlin, aber Sieger waren irgendwie alle.
Die BBV-Delegation unter Leitung ihres Vorsitzenden Dominik Peter tauschte sich während des 2. Spieltags mit Nadeschda Lobanowa und weiteren Vertretern des Moskauer Verbandes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aus und erläuterte die landeseigenen behindertenpolitischen Probleme und Begebenheiten. Im Ergebnis wird eine noch intensivere Kooperation zwischen beiden Verbänden angestrebt, um die sehr ähnlichen Probleme, zum Beispiel bei der Mobilität und der Bereitstellung barrierefreier Wohnungen, besser bewältigen zu können.
Kultur & Kosmonauten
Ebenfalls auf dem Programm stand der Besuch von zwei Museen: Zum Einen das Kosmonauten-museum, welches die großen Erfolge der russischen (früher der sowjetischen) Raumfahrt Dank toller Exponate auf interessante Weise aufzeigt. Zum Anderen besuchte ein Teil der Reisegruppe das Darwin Museum. Das Museum wurde durch Prof. Alexander Kots gegründet, der aus einer deutschen Auswandererfamilie stammte. Bei der Museumsführung erfuhren die Teilnehmer interessante Anekdoten, wie etwa die Tatsache, dass bereits in den 20er Jahren Prof. Kots ausgewählte Exponate in Krankenhäuser und Heimen brachte und dort Vorträge hielt. Dadurch wollte der Professor behinderten und kranken Menschen die Natur näherbringen.
Heute hat sich das Museum besonders auf blinde Besucher eingestellt: Viele Tastfiguren oder Exponate, wie ein Eisbärenfell, sind eigens für diese Besuchergruppe vorhanden. Zudem bieten Wissenschaftler des Museums eigens entwickelte Programme für autistische Kinder und ihre Familien an, die nach Eigenauskunft sehr erfolgreich sind.
Ein Abendessen unter Freunden
Das Programm lies aber auch Platz für eigene Erkundungen zu. So konnte zwei Mal dem Einkaufen gefrönt werden. So zum Beispiel in der Arbat Fußgängerzone (mit weitestgehend barrierefreien Geschäften) und in einer klassischen Shopping Mall, die in punkto Barrierefreiheit allerdings vorbildlich war.
Im Rahmen der letzten Abendveranstaltung und eines gemeinsamen Abendessens, zusammen mit den Spielern aller Mannschaften, wurde abschließend noch einmal auf eine gemeinsame Zusammenarbeit, eine zukünftige Freundschaft und auf eine engere Kooperation zwischen den Verbänden angestoßen.
Alles in allem war diese Reise eine Erfahrung, die allen Beteiligten gezeigt hat, dass trotz Differenzen ein Dialog möglich ist, der auf gegenseitigem Respekt beruht. Sollte es nicht auch so auf internationaler Ebene sein?